© zVgDie SBB Transportpolizei sorgt mit rund 260 Mitar­bei­tenden für Sicherheit im gesamten Bahnumfeld der SBB, deren Konzerngesellschaften sowie diversen anderen Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr.Die SBB Transportpolizei sorgt mit rund 260 Mitar­bei­tenden für Sicherheit im gesamten Bahnumfeld der SBB, deren Konzerngesellschaften sowie diversen anderen Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr.Die SBB Transportpolizei (TPO) ist stark spezialisiert, landesweit tätig, betreut ein riesiges Einsatz­gebiet und kooperiert eng mit der jeweils zuständigen Kantons-, Stadt- respektive Gemeindepolizei. Was diese Sonderstellung für Organisation, Planung sowie Einsatzmittel bedeutet und wie die TPO auf die steigenden Anforderungen im Bereich öffentliche Sicherheit reagiert, erfuhren wir aus erster Hand.

In der Schweiz gibt es laut offizieller SBB-Statistik rund 800 Bahnhöfe und Haltestellen. Diese sind durch 3’265 ­Kilometer Betriebsstrecken miteinander verwoben – und werden täglich von mehr als einer Million Menschen frequentiert. ­Viele davon sind Pendler und Fernreisende. Aber auch die Mitarbeitenden der in und rund um die Bahnhöfe domizilierten Läden und Geschäfte, Besucher, Obdachlose, Touristen und unzählige andere Menschen bevölkern unsere Bahnhöfe.

Gleich einem Heer von Ameisen strömen sie durch die ­Hallen und Gänge, über die Perrons und durch die Passagen. Für den Aussenstehenden ist dabei undurchschaubar, wer weshalb dorthin unterwegs ist, wohin er – eiligen Schrittes oder gemächlichen Fusses – geht. Erkennbar ist einzig ein ständiges Kommen und Gehen – von Zügen, S-Bahnen, Lkw, Autos, Velos, Motorrädern – und Menschen.

Dieses heillose Durcheinander, das in Wahrheit keines ist, eint alle Bahnhöfe dieser Welt – egal, wie gross und pompös oder wie klein und unbedeutend diese auch sind. Das Leben am Bahnhof kennt keinen Stillstand. Bahnhöfe sind pulsierende Orte, frequentiert von einem bunt gemischten Publikum, so farbig und facettenreich wie das Leben selbst. Oder, wie Michael Perler es ausdrückt: «Bahnhöfe sind Schmelztiegel unserer Gesellschaft.»

Der 56-Jährige weiss, wovon er spricht. Michael Perler ist seit 1. August 2019 Leiter der Security & Transportpolizei – und somit auch Kommandant der SBB Transportpolizei (TPO). Entsprechend gut kennt er das Leben in der Welt der SBB – auf Bahnhöfen und in Zügen, zwischen Gleisen, Fahrstromleitungen und Zugsignalen, umgeben von Fern-, ­Regional- und Güterverkehr.

Uns erzählte er – vor Ort, im Kommando der TPO im Boll­werk 10, direkt über den Gleisen des Berner Hauptbahnhofs, – weshalb die Arbeit bei der Transportpolizei etwas Besonderes ist, welche Herausforderungen sie birgt und weshalb seine Truppe nicht erst seit heute aus der ­Schweizer Sicherheitslandschaft keinesfalls mehr wegzudenken ist.

Einsatzgebiet und Organisation der TPO

«Primäres Einsatzgebiet der TPO sind das gesamte Bahnumfeld der SBB sowie deren Konzerngesellschaften. Zudem muss die TPO gemäss Bundesgesetz über die Sicherheitsorgane der Transportunternehmen im öffentlichen Verkehr (BGST) vom 18. Juni 2010 ihre Leistungen auch Dritten anbieten», erklärt Michael Perler. Mit vielen davon, etwa der Schweizerischen Südostbahn AG (SOB), dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) oder auch der Réseau Express Régional Vaudois (RER Vaud), unterhält die TPO entsprechende Vereinbarungen. «Damit betreut sie quasi die gesamte Schweiz», betont Michael Perler. Einzige Ausnahme ist – zumindest bis dato – Graubünden, wo die Rhätische Bahn zu Hause ist, die auf die Dienste eines privaten Sicherheitsanbieters vertraut.

Bei all ihren Tätigkeiten kooperiert die TPO eng mit der ­jeweils zuständigen Polizeibehörde von Kanton, Stadt oder Gemeinde. Diese Zusammenarbeit sei partnerschaftlich, sagt Michael Perler: «Auch wenn die Polizeihoheit bei den Kantonen liegt, wird die Arbeit der TPO geschätzt, denn wir sind ein wertvoller Partner und Force Provider anderer ­Polizeikorps. Wo es früher manchmal Kompetenzgerangel gab, herrscht seit Jahren eine von gegenseitigem Respekt und Vertrauen geprägte Atmosphäre guter Zusammenarbeit auf Augenhöhe.» Die Gründe dafür ortet er in zwei Dingen: erstens in der guten Arbeit, welche die TPO leistet, und zweitens im allgegenwärtigen Fachkräftemangel, der dazu führt, dass jede helfende Hand willkommen ist.

Organisiert ist die TPO in sechs Bereichen, drei Regionen (Deutschschweiz, Romandie, Tessin) und 13 Stützpunkten. «Letztere befinden sich, von Nord nach Süd, in Basel, St. Gallen, Zürich, Olten, Biel, Luzern, Bern, Chur, Fribourg, Lausanne, Bellinzona, Genf und Lugano», erläutert ­Michael Perler. In Olten befindet sich zudem die Einsatzleitzentrale der TPO, die alle Einsätze im Land 24/7 koordiniert.

Der aktuelle Personalbestand der TPO umfasst – inklusive der Zivilangestellten – 261 Vollzeitstellen. Davon sind laut Michael ­Perler rund 220 ausgebildete ­Polizeikräfte, von denen 190 im ­effektiven Patrouillendienst tätig sind.
67 Prozent der Einsatzkräfte stehen in der Deutschschweiz im Dienst, 21 Prozent in der Westschweiz und 12 Prozent im ­Tessin. Etwa 15 Prozent – also knapp jede sechste bei der TPO tätige Person – sind weiblich.

© zVgZu den Aufgaben der TPO gehört auch die Begleitung von VIP- und Fan-Extrazügen.Zu den Aufgaben der TPO gehört auch die Begleitung von VIP- und Fan-Extrazügen.

Aufgaben und Verantwortung der TPO

Die Aufgaben der Einsatzkräfte der TPO sind laut ih

rem Kommandanten «so vielfältig wie das Einsatzgebiet». Grundsätzlich agiert die TPO als wichtige Stütze im «Sicherheitsverbund Schweiz» – als ein Element, das über die Kantonsgrenzen hinweg agieren kann. «In diesem Kontext ist unsere primäre Aufgabe die Gewährleistung umfassender Sicherheit für die Kunden und Mitarbeitenden der SBB sowie der Schutz der Infrastrukturen sowie der Güter der SBB», erklärt Michael Perler. Dabei stehe sowohl das Vermitteln subjektiver Sicherheit als auch gezielte Präventionsarbeit an ­erster Stelle. «Unser Ziel muss stets sein, so viel Autorität auszustrahlen und so viel Präsenz vor Ort zu leisten, dass eine konkrete Intervention optimalerweise gar nicht erst nötig wird.» Aus diesem Grund seien die Einsatzkräfte der TPO auch nicht in dunklen Farben, sondern in hell leuchtendem Gelb gekleidet. So sehe jeder sofort: «Ah, da kommt die TPO!»

«Auffälligkeit schreckt ab und sorgt zugleich für Beruhigung, weil alle sofort sehen, dass wir da sind», erklärt Michael Perler. So würden Jugendliche, die Verbotenes tun – etwa Graffiti-Sprayer und Gleiswanderer – ebenso abgeschreckt wie Kupfer-, Trick- und Taschendiebe sowie Ticketfälscher. «Nur dank sorgfältiger und effizienter Analysearbeit gelingt es, mit nur knapp 200 Patrouillenkräften ein Gebiet, so gross wie das Land, überhaupt wirkungsvoll abzudecken», sagt er.

Ebenfalls vorwiegend in den Bereich Prävention fällt laut Michael Perler die Tätigkeit der TPO-Hundeführer, die mit Schutz- und Drogenspürhunden sowie Sprengstoffspür­hunden auf den Schweizer Bahnhöfen patrouillieren (siehe ­Artikel Seite 29). «Auch hier geht es immer darum, zuallererst durch frühzeitiges Entdecken zu verhindern, dass etwas passiert», sagt Perler.

Dasselbe gelte für herrenlose Gepäckstücke. «Es ist immer besser, man sieht direkt, wie jemand einen Koffer, eine ­Tasche oder einen Rucksack vergisst oder gezielt versteckt, als reagieren zu müssen, weil Dritte uns auf ein herum­stehendes Gepäckstück aufmerksam gemacht haben», sagt Perler.

Und auch abseits der Erstabklärung engagiert sich die TPO sehr aktiv in der Präventionsarbeit – einerseits an den Bahnhöfen, andrerseits aber auch – und das sehr bewusst und mit grossem Erfolg – an Schulen. «Wir versuchen, die nachrückende Generation für richtiges Verhalten im öffentlichen Raum generell und auf Bahnhöfen im Besonderen zu sensi­bilisieren», erläutert Michael Perler. «Das Themenspektrum reicht dabei von deeskalierendem Verhalten bei drohenden Auseinandersetzungen über die Aufklärung bezüglich der Risiken von Mutproben bis hin zur Aufklärung Jugendlicher über die besonderen Gefahren technischer Einrichtungen wie Hochspannungs-Oberleitungen.»

Abgerundet wird das Tätigkeitsportfolio der TPO durch Aufgaben im Bereich der Begleitung von VIP-Zügen sowie Fan-Extrazügen und der Fahndung sowie Entlarvung gefälschter Tickets.

© zVgDie Einsatzkräfte der TPO sind in leuchtendem Gelb eingekleidet – zugunsten sofortiger Sichtbarkeit und der Vermittlung subjektiver Sicherheit für die Kunden der SBB.Die Einsatzkräfte der TPO sind in leuchtendem Gelb eingekleidet – zugunsten sofortiger Sichtbarkeit und der Vermittlung subjektiver Sicherheit für die Kunden der SBB.Herausforderungen der TPO

Wie viele andere Blaulichtorganisationen steht auch die TPO vor zahlreichen Herausforderungen. Allem voran bereiten Michael Perler die zunehmende Verrohung der Sitten, der unübersehbare Hang zum Egoismus und die steigende Gewaltbereitschaft grosse Sorge. «Die «me first»-Haltung der Menschen und das Phänomen der «Gratisgewalt», also die Tatsache, dass man ohne erkennbaren Grund in eine gewalttätige Auseinandersetzung geraten kann, ist ein enormes Problem unserer Gesellschaft», sagt er. «Gerade in unserem Bereich, in und rund um die Bahnhöfe, können wir nahezu täglich hautnah miterleben, wohin dies führt und welche Blüten es bisweilen treibt. Gerade auch in puncto Gewalt gegenüber unseren eigenen Mitarbeitenden»

Auch die Tatsache, dass die Menschen heutzutage lieber mit dem Handy filmen, wie jemand zusammengeschlagen wird, als zu intervenieren, und dass auch seine Mitarbeitenden bei der Ausübung ihres Jobs gefilmt werden, wonach nicht selten zusammengeschnittene Videoschnipsel den Medien zugespielt werden, welche diese auf ihren Onlineplattformen teilen, und damit die Einsatzkräfte diskreditieren, beobachtet Michael Perler mit wenig Verständnis. «Effektives Fehlverhalten an den Pranger zu stellen ist das eine. Aber mit ungeprüftem Bildmaterial Stimmung gegen die Polizei zu machen, ist etwas ganz anderes», sagt er.

Nicht zuletzt aus diesem Grund engagiert sich der TPO-Kommandant für die Einführung von Bodycams bei seiner Truppe: «Ich bin vom präventiven Effekt von Bodycams überzeugt. Dieser trägt zu mehr Sicherheit bei – auch für die SBB-Kunden im ÖV. Zudem stellen die Aufnahmen wichtige Beweismittel dar, um aufzuzeigen, wie die Gesamtsituation sich tatsächlich darstellte.»

Ein weiteres Herausforderungsfeld ist die «24-Stunden-Gesellschaft», auf welche die Schweiz zusteuert, und in der sich zunehmend tiefere Gräben öffnen. «Gerade wir, als spezialisierte Polizei im ÖV, bekommen die Auswirkungen von Migration, Kriminaltourismus, Jugendkriminalität sowie einer zunehmend gespalteten Gesellschaft unmittelbar zu spüren», sagt Michael Perler. «Unsere Kräfte sind rund um die Uhr gefordert. Insbesondere dann, wenn andere frei haben – abends, in den Nächten und am Wochenende, ist für uns die intensivste Zeit. Zudem strömen, auch wegen der Geschäfte, die in den Passagen angesiedelt werden, immer mehr Menschen ohne Reiseabsicht an die Bahnhöfe. Zu ­allen Uhrzeiten, an allen Wochentagen. Das geht an die Substanz und belastet die Ressourcen.»

Parallel dazu wird es für die TPO zunehmend schwieriger, jederzeit genug geeignete Nachwuchskräfte zu rekru­tieren – und bei der Stange zu halten. «Nicht wenige Nachwuchskräfte kehren der TPO durchschnittlich zweieinhalb Jahre nach Beendigung der Ausbildung den Rücken zu», bedauert der Kommandant. Als Hauptgrund hat er das ­Streben nach mehr Abwechslung im Beruf ausgemacht. «Kantons- und Regionalpolizeien haben heute sehr viel­fältige Aufgaben. Das ist reizvoll für junge, aufstrebende Berufsfachleute», zeigt er sich verständnisvoll. Und immerhin: Einige der abgewanderten Fachkräfte kehren nach mehr oder weniger langer Zeit wieder in den Schoss der TPO zurück. «Das sind oft jene, die Schreibarbeit weniger gern haben als den direkten Kontakt mit den Menschen», sagt Perler.

Nichtsdestotrotz zeigte eine unlängst durchgeführte Umfrage beim Personal der TPO: Die Motivation der Mitarbeitenden ist hoch. Dennoch war die Personalsituation 2022 durchaus angespannt. Daher versucht Michael Perler aktuell, die TPO mithilfe von aktivem Marketing bekannter zu machen. «Wir planen eine Kampagne und dafür auch die Anfertigung eines Imagefilms», verrät er.

Ziele für die Zukunft der TPO

Auf die Zukunft der TPO angesprochen zählt Michael Perler gleich mehrere Ziele auf, die er sich und seiner Organisation gesetzt hat. «Wir haben uns als verlässlicher Partner im Sicherheitsverbund Schweiz etabliert», sagt er. «Nun geht es darum, die Weichen so zu stellen, dass wir dieser Rolle auch in Zukunft gerecht werden können.» Dazu brauche es, neben genügend gut ausgebildetem und motiviertem ­Personal, passende Rahmenbedingungen auf gesetzlicher Ebene: «Zwar haben wir seit einem Jahr Zugriff aufs Ripol-System. Doch auf andere Polizeisysteme können wir nicht zugreifen», bemängelt Michael Perler. Das führe zu Doppelspurigkeiten sowie zu Zusatzaufwand – für die TPO ebenso wie für die Kantonspolizei. «Hier wird Potenzial verschenkt», hadert Perler. «Denn für morgen gilt noch viel mehr als für heute: Man muss Synergien sinnvoll nutzen. Schliesslich hat niemand von uns zu viele Mitarbeitende.»

Diesbezüglich, so Perler, habe seine Organisation selbst das Nötige bereits erledigt. «Wir haben uns schon 2021 mit den Herausforderungen der letzten Jahre und der Zukunft auseinandergesetzt, unsere eigene Vision entwickelt, unter Einbezug der Mitarbeiter und Stakeholder. Die gesetzliche Grundlage, also das aus 12 Artikeln bestehende Bundes­gesetz BGST, muss überprüft und wo nötig adaptiert werden. Zentral ist eine eindeutige Umschreibung der Kompetenzen sowie eine klare Abgrenzung gegenüber privaten Sicherheitsdiensten. Nur so können wir unsere Rolle effizient erfüllen und zugleich unsere Partner massiv entlasten. Ziel wäre eine spezialisierte Polizei im gesamten schienen­gebundenen Verkehr.»

Motivation und persönliche Worte

Die Motivation zu diesem ehrgeizigen Ziel schöpft Michael Perler aus drei Dingen: Der guten Zusammenarbeit im Team und mit den Partnern. Dem Willen, die vor ihm liegenden Herausforderungen nicht nur anzunehmen, sondern sie zu meistern. Und drittens aus der Befriedigung, die ihm seine anspruchsvolle Tätigkeit bereitet.

Darauf angesprochen, was er selbst der Leserschaft von Blaulicht unbedingt mitteilen wolle, sagt der Kommandant: «Mir ist wichtig, dass die TPO als das wahrgenommen wird, was sie ist und wofür wir alle täglich einstehen: Eine wohl etablierte, zuverlässige und gute Partnerin, die von den ­anderen Mitwirkenden im Sicherheitsverbund anerkannt wird und nicht mehr wegzudenken ist. Eine Institution, mit sehr gut ausgebildeten Polizisten mit Fachausweis, welche die Kantons-, Gemeinde- und Regionalpolizeien bei deren Aufgaben unterstützen und entlasten – und die als offener Ansprechpartner zur Verfügung steht, wenn es darum geht, Ressourcen gezielt zu konzentrieren und wirksame ­Lösungen für Probleme an Bahnhöfen zu entwickeln und zu ­etablieren.»

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