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Das rund 37,5 km2 grosse Einsatzgebiet der FW Stadt Luzern ist die Heimat von 83’000 Menschen, topografisch komplex und beinhaltet neben der Stadt auch Landflächen, Gewässer und natürlich den Vierwaldstättersee.Die Stadt, der Vierwaldstättersee, die Reuss, ein komplexes Verkehrsnetz, Tunnels, Touristen, der entlegene Littauerberg und eine unerhört hohe Dichte wertvoller Kulturgüter: Das Einsatzgebiet der seit 2016 als Berufs- und Milizfeuerwehr organisierten Feuerwehr Stadt Luzern ist vielseitig. Was das für Planung, Mittel und Methoden bedeutet, erfuhren wir beim Vor-Ort-Termin.
Eines ist sicher: Über zu wenig Abwechslung und Arbeit kann Kommandant Theo Honermann nicht klagen. Seit 15 Jahren steht der heute 60-Jährige an der Spitze der Feuerwehr Stadt Luzern – und ist zusammen mit dieser ständig in Bewegung. Einerseits, weil sich diese kontinuierlich entwickelt. Andererseits, weil die Liste ihrer Aufgaben lang und ihre Organisation so besonders ist wie ihr Einsatzraum.
Das Einsatzgebiet
Das Einsatzgebiet umfasst rund 37,5 km2, auf denen 83’000 Menschen leben – und ist komplex. Begrenzt wird es auf der einen Seite vom Vierwaldstättersee und dem Dietschiberg, auf der anderen Seite vom weitläufigen Littauerberg und dem Sonnenberg. Dazwischen: die Stadt mit KKL, Kantonsspital, Universität, Hochschulen, Museen, Verkehrshaus, Bahnhof, Hafen, weitläufigen Wohn- und Industriegebieten und – natürlich – der schönen Altstadt mit der legendären Kapellbrücke.
Auf dieser stand Theo Honermann schon oft – auch in der Nacht vom 17. auf den 18. August 1993. Damals kämpfte er im Atemschutz gegen die Feuersbrunst, die das Wahrzeichen der Stadt mit seinen weltberühmten 111 Giebelbildern zu verschlingen drohte. «Das war ein sehr emotionaler Einsatz», sagt der Kommandant im Rückblick. «Aber es war beileibe nicht der einzige, bei dem es um viel ging. Oft genug um mehr als ’nur’ Holz und Bilder, nämlich um das Leben.»
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Theo Honermann ist seit 2006 Kommandant der Feuerwehr Stadt Luzern und sagt: «Die Vielfalt unseres Einsatzraums ist faszinierend, herausfordernd und eine Quelle anhaltend hoher Motivation.»Aufgaben und Verantwortung
Das Retten und Bewahren von Leben, Kulturgütern und Sachwerten im Fall von Bränden, Naturereignissen, Explosionen, Einstürzen, Unfällen und ABC-Ereignissen ist die Kernaufgabe der FW Stadt Luzern. Hinzu kommen viele weitere Aufgaben. Im Bereich der Stadt sind dies Bereitschafts-, Wach-, Kontroll- und Verkehrsdienste, ein 24-Stunden-Pikett für die Verkehrssignalanlagen sowie im Auftrag der ewl (energie wasser luzern) die Wartung der rund 2’000 auf dem Stadtgebiet vorhandenen Hydranten.
Zudem übernimmt die FW Stadt Luzern auf kantonaler Ebene als Stützpunktfeuerwehr Aufgaben in den Bereichen Personenrettung (Strassen- und Arbeitsunfälle; Nationalstrassen), Öl- und Strahlenwehr, Brände und Unfälle auf dem Vierwaldstättersee sowie in Strassen- und Bahntunnels. Überdies stellt sie das Feuerwehr-Peers-Team Zentralschweiz.
Die Organisation
Seit 2016 ist die FW Stadt Luzern als Berufs- und Milizfeuerwehr organisiert. Erstere beschäftigt zehn Kommandokräfte, 24 im Schichtbetrieb agierende Einsatzkräfte, drei Feuerwehrärzte und drei Fachberater. Ihr zur Seite steht die 261 Personen starke Milizfeuerwehr – in der sich verblüffend viele Frauen engagieren. Laut Theo Honermann beträgt der Anteil weiblicher Feuerwehrkräfte mehr als 20 Prozent – das sind deutlich mehr als im Kanton (8,1 %) und doppelt so viele wie im nationalen Durchschnitt.
Die Gründe dafür sind vielschichtig. Erstens gilt im Kanton Luzern seit 1993 eine allgemeine Feuerwehrpflicht – auch für Frauen. Zweitens geniesst die FW Stadt Luzern einen tadellosen Ruf, nicht zuletzt dank guter Kommunikationsarbeit. Drittens kann sie ein enorm breites Aufgabenspektrum anbieten, was die Attraktivität des Feuerwehrdienstes natürlich steigert. «All dies hat uns bis heute vor Rekrutierungsproblemen bewahrt», sagt Theo Honermann – und zeigt auf die im Mitteilungsblatt «Füürhorn» abgedruckten Porträts jener 22 Personen, die Anfang 2021 neu zur Truppe stiessen.
Fokus auf das Milizsystem
Sie und natürlich auch alle «alten Hasen» geniessen Theo Honermanns Wohlwollen. Denn dieser legt ein starkes Augenmerk auf das Milizsystem. «Nur weil wir seit 2016, infolge der Abschaffung des Löschpiketts der Polizei, nicht mehr als vollamtliches Kontingent der Milizfeuerwehr, sondern als Berufsfeuerwehr organisiert sind, hat sich für das Milizsystem ja grundlegend nichts geändert», sagt er. «Die Aufgaben sind grösstenteils dieselben geblieben.»
Für ihn seien daher bei der Einführung der Berufsfeuerwehr vor allem organisatorische und logistische Aufgaben zentral gewesen. «Innert nur sechs Monaten mussten wir uns neu organisieren – und Platz schaffen für die 24 Personen der drei im Schichtbetrieb tätigen Dienstgruppen», erklärt er. Das aber sei angesichts der baulichen Situation im ehemaligen Tramdepot, in dem die Wache logiert, alles andere als trivial gewesen. Doch es gelang – und das so clever, dass jede Person, wenngleich im Mehrbettzimmer untergebracht, ein eigenes Bett mit persönlicher Wäsche hat. «Trotzdem bleibt der Platzmangel in der Feuerwache ebenso ein Problem wie die Bausubstanz und die veraltete Gebäudetechnik», sagt Honermann.
Die Herausforderungen
Das wird sich grundsätzlich ändern, denn 2027 sollen alle Feuerwehrleute in eine neue Feuerwache auf dem ewl-Areal am südlichen Ende des Bahnhofs Luzern einziehen. Das hat laut Theo Honermann viele Vorteile. «Modernere Infrastruktur, bessere Prozessabläufe, mehr Komfort für die Einsatzkräfte und mehr Platz. Wir können das Material aus den Magazinen Maihof und Würzenbach in der neuen Wache unterbringen und die Magazine für das Ein- und Ausrücken von Milizfeuerwehrleuten nutzen, was unsere Mobilität optimiert.» Leider führten Einsprachen, der Rückzug der Idee, am neuen Ort auch die Integrierte Leitstelle für Polizei, Rettungsdienst und Feuerwehr unterzubringen, und der Entschluss des Rettungsdienstes 144, in reduziertem Umfang in den Neubau zu übersiedeln, zu Umplanungen und Verzögerungen. «Daher werden wir länger als geplant und wünschenswert hierbleiben müssen – was Sanierungen erfordert, die Geld kosten und den Dienst behindern», weiss Honermann.
Platznot, eine ungenügende Infrastruktur (u. a. keine WCs und gemeinsame Garderoben für Frauen und Männer) und Sicherheitsmängel existieren auch im Bootshaus der FW Stadt Luzern. Diese allerdings wurden durch die Neubeschaffung des Lösch- und Rettungsbootes «Thor» (siehe Artikel in diesem Heft) zumindest teilweise entschärft. «Das neue Boot kann im Gegensatz zum bisherigen ungedeckt liegen. Zudem können wir Material, das bisher im Bootshaus lagerte, nun direkt im Boot vorhalten. Das erleichtert den Materialumschlag und hilft, Kosten einzusparen», sagt Theo Honermann.
Weitere Herausforderungen, die ausserhalb des direkten Einflussbereichs der Feuerwehr liegen, sind komplexer zu lösen. «Wie wohl für viele Feuerwehren bedeuten die generelle Verkehrszunahme, die stark wachsende Zahl von Photovoltaikanlagen, anspruchsvolle Objekte wie Tiefgaragen oder verwinkelte Altstadtbauten sowie Grossbaustellen – in Luzern insbesondere der geplante Durchgangsbahnhof – Herausforderungen», sagt Theo Honermann. «Überdies ist der Schutz der wertvollen Kulturgüter, die es in Luzern zahlreich gibt, anspruchsvoll. Wir gewährleisten ihn bestmöglich, mit umfassenden und praxiserprobten Notfallplänen.»
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Rendering des Neubaus auf dem ewl-Areal, in den die Feuerwehr in absehbarer Zukunft übersiedeln soll.Kooperationen und Fundamente
Für bestmögliche Vorbereitung und Prävention beurteilt die Stadt Luzern seit mehr als zwölf Jahren in Kooperation mit der EBP Schweiz AG regelmässig ihre Sicherheitslage. Dabei werden die Risiken aller erdenklichen Gefährdungen, von kleinen Alltagsdelikten bis hin zu Katastrophen und Notlagen wie Erdbeben oder Blackout, analysiert. Theo Honermann findet diese Berichte wichtig und wertvoll. «Was in diesen Papieren steht, hat Relevanz und wird von der politischen Führung ernst genommen. Einerseits formulieren die Berichte Verbindlichkeiten und Aufgaben, die wir als Sicherheitsorganisation erfüllen müssen. Umgekehrt halten sie aber auch fest, was wir dafür an Personal und Mitteln benötigen. So finden zentrale Fragen der heutigen und künftigen Herausforderungen im Bereich Sicherheit Einzug in die politische Agenda. Das hilft uns, unsere Anliegen transparent zu machen.»
Laut Theo Honermann ist in diesem Zusammenhang vor allem die Erkenntnis essenziell, dass Sicherheit zwar als selbstverständlich empfunden und eingefordert wird, es in Tat und Wahrheit aber nicht ist. «Sicherheit zu schaffen, ist eine dauerhafte Herausforderung und das Resultat harter, professioneller und sorgfältiger Arbeit», sagt er. Dabei komme auch der Qualität des eigenen Netzwerks grosse Bedeutung zu. Das wisse er spätestens seit der Gründung der Berufsfeuerwehr Stadt Luzern. «Dieser Schritt hat unser Netzwerk mit der Vereinigung der Schweizerischen Berufsfeuerwehren (VSBF) nochmals erweitert – und die daraus erwachsenden Benefits helfen uns ebenso wie unsere seit Jahren enge und gute Kooperation mit den Partnerorganisationen, namentlich den Nachbarfeuerwehren, den Stützpunktfeuerwehren der Zentralschweiz, der Betriebsfeuerwehr des Luzerner Kantonsspitals, dem Zivilschutz, dem Rettungsdienst und nicht zuletzt der Polizei.»
Nach dem Vor-Ort-Termin sind wir überzeugt: Die FW Stadt Luzern ist gut aufgestellt und hat mit Theo Honermann einen Kommandanten, dem seine Leute ebenso am Herzen liegen wie seine Aufgaben. Ebenso sicher ist, dass ihm in den verbleibenden fünf Jahren bis zum Ruhestand die Themen und Aufgaben nicht ausgehen werden.