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Die Organisation und Durchführung realitätsnaher Trainings für TEM-Einsatzkräfte sind die Spezialität des Verein SMET.Der noch junge, auf einer Privatinitiative basierende Verein «SMET – Simulation, Moulage und Einsatztraining» widmet sich dem realitätsnahen Training im Bereich taktische Einsatzmedizin (TEM) – für entsprechende Fachkräfte
und für Figuranten.
Hyperrealistische Trainingsszenarien, bei denen selbst erfahrene TEM-Kräfte an ihre psychischen und physischen Grenzen stossen – und sich gerade dadurch optimal, nachhaltig und wirkungsvoll auf den Ernstfall vorbereiten
können –, sind das oberste Leitziel des Vereins «SMET – Simulation, Moulage und Einsatztraining». Wer hier ein TEM-Training absolviert, bekommt es mit Profis zu tun. Die gestellten Szenarien sind so realistisch wie die «Verletzungen» der im Vorfeld intensiv geschulten und trainierten Figuranten. Menschen schreien und winden sich vor Schmerzen, es fliesst Blut, Blaulichter zucken durch die Nacht, es herrscht hektisches Treiben – und die Übungsleiter achten auf jedes noch so kleine Detail. Sind alle Verletzten versorgt und die Situation ist «unter Kontrolle», sieht man schwitzende Gesichter, die eine oder andere zitternde Hand, erschöpfte Blicke – und bisweilen Tränen. Dann weiss Jörg Röhler, Instruktor Sicherheitspolizei bei der Abteilung Führung & Einsatz der Kantonspolizei Aargau (Kapo AG) und Initiant des Vereins SMET: Wir haben alles richtig gemacht.
Was die Trainierenden wiederum gut oder weniger gut gemacht haben, wird in der Nachbesprechung analysiert. Dann fallen Sätze wie «Medizinisch top – alle haben das Bestmögliche gemacht. Aber taktisch echt suboptimal. Zwar habt ihr den Täter schnell korrekt gefesselt und auch auf gröbere Verletzungen untersucht. Aber ihr habt nicht geprüft, ob er gefährliche Gegenstände auf sich trägt, und nicht alle Räume kontrolliert. Was, wenn dort ein zweiter Angreifer gelauert hätte? Vergesst nie: Taktik vor Medizin, Selbstschutz vor Ersthilfe! Schafft immer zuerst eine sichere oder zumindest gelbe respektive warme Zone, bevor ihr mit einer Behandlung beginnt.» Und als der Übungsleiter auf die «Opfer» des Szenarios zu sprechen kommt («Die Frau hat dank eurer Massnahmen überlebt, doch das Kleinkind konnte nicht gerettet werden.»), herrscht bedrückte Ruhe im Raum und irgendwo ertönt ein leises Schluchzen … Das Warum und auch die Gefühle der Anwesenden werden analysiert, es wird erklärt, besprochen, zugehört, wobei der Übungsleiter tröstende, fast väterliche Worte findet. Am Ende gehen alle gestärkt aus dem Training – mit wichtigen neuen Erkenntnissen.
Die fünf Säulen von SMET
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Wenn das (Kunst)Blut so wie hier aus einer Wunde spritzt ist rasches, korrektes Handeln gefragt. Zeit für Ekel, Nachdenken oder gar Nachfragen bleibt da keine.Genau dieses «Lernen in der realen Situation» hat sich der nicht gewinnorientierte gemeinnützige Verein SMET, der gezielt Blaulichtkräfte (Polizei und Rettungsdienste, ausgewählte Personen von Feuerwehr, GWK und Armee/Zivilschutz) anspricht, zum Ziel gesetzt. Die Basis dafür schaffen fünf Säulen. «PROFI+» für das gezielte Training von TEM-Fertigkeiten sowie Schnittstellen zu anderen Kräften. «FIGU+» für die Schulung von Figuranten. «SIMOULAGE» für die Entwicklung, Herstellung und den Test von Simulations- und Moulagematerial. «SMET Social» für das soziale Engagement des Vereins – und «SUPPORT» für die Versorgung von Behörden und Partnern mit Trainingsmitteln, insbesondere Silikonmoulagen.
Das Engagement ist landesweit angedacht – auch wenn SMET im Aargau regional verankert und ein Abbild der föderalistischen Polizei- und Rettungsdienstlandschaft ist. Jörg Röhler: «Wir wollen TEM im schweizerischen Polizei- und Blaulicht-Umfeld (BORS) fördern, den Mehrwert, ja die Notwendigkeit von TEM aufzeigen. Denn wir wissen: Die Zahl der bei den Notrufzentralen eingehenden Meldungen über Gewalttaten – von häuslicher Gewalt über Massen-Messerstechereien bis zu gewalttätigen Krawallen – steigt. Zudem sind TEM-Kräfte enorm nützlich nach Verkehrs- und Arbeitsunfällen oder Suizidversuchen an Bahnstrecken. Ganz zu schweigen von einem grösseren Amoklauf oder gar einem Terroranschlag. Wir wissen: Solche Dinge geschehen – und wir müssen dafür gewappnet sein.»
Wenn die Rettungskette bricht
Dabei fehle, sagt Röhler, den zivilen Rettungsdiensten oftmals die Handlungsfreiheit: «Ist die Gewalttat noch im Gang oder eine potenzielle Gefahr noch akut, können und dürfen Rettungskräfte nicht helfen – oft während Stunden nicht. Während dieser Zeit können aber speziell geschulte und ausgerüstete, taktisch versierte TEM-Kräfte die Opfer – und verletzte Einsatzkräfte – versorgen. Sie wissen sich taktisch klug zu verhalten, können sich notfalls adäquat zur Wehr setzen, Angreifer in Schach halten und Verwundeten wirkungsvoll helfen.» Zur Verdeutlichung erwähnt Röhler, wie viele Menschenleben allein im Kanton Aargau seit 2011 durch beherztes Zupackens von TEM-trainierten Kräften der Kapo AG und der diversen Stadt- und Regionalpolizeien gerettet wurden: rund drei Dutzend!
Stärke in der Gemeinsamkeit
Da wir allein schwach und gemeinsam stark sind, setzt SMET auf Vernetzung und Kooperation. «Wir unterstützen die Ziele, agieren nach den Doktrinen und setzen die Philosophie der nationalen Dachorganisation SVTM praktisch und regional um», betont Röhler. Das Mittel von SMET sind dabei hocheffiziente TEM-Trainings für Blaulichtorganisationen. «Die grundlegende TEM-Ausbildung erfolgt in Verantwortung der jeweiligen BORS-Institution, vorzugsweise in den Kursen der SVTM. Wir kommen danach zum Zug, mit unseren realitätsnahen Trainings», sagt Röhler. Diese seien zwar auch kompatibel mit den «CABCDE»-Guidelines der TREMA (Deutschland/Europa) sowie für das praktische Training des MARCH-Algorithmus der NAEMT, der von Teilen der Armee verwendet wird, geeignet. Der Fokus liege aber klar auf dem Training von Blaulichtkräften.
Alles für die Realitätsnähe
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Die lebensechte Puppe eines Kleinkindes gehört auch zum Figuranten-Team des Verein SMET – und bringt nicht wenige der Trainierenden sehr nahe an die Belastungsgrenzen.In seinen Trainings setzt SMET auf einsatzrelevante Szenarien, realistische Übungsorte, gezielt geschulte Figuranten (siehe Box) und erstklassige Moulagen von Pascale «Bones» Gautschi aus Brugg AG (siehe Box). Jörg Röhler: «Realistisches Training bedingt betont echt wirkende Moulagen. Bei abgetrennten Extremitäten geht es um das Schreckmoment und die Überwindung von Ekel und Furcht. «Bei unseren Moulagen spritzt das Kunstblut, <Knochenfragmente> sind spürbar und die Figuranten schreien, winden und wehren sich. Es braucht Überwindung für das nötige beherzte <Hands on Red> und Sachkenntnis für die korrekte Wundtamponade und den Verband», weiss Röhler. «Einen ruhig liegenden Silikonklotz austamponieren ist ein Kinderspiel dagegen – aber völlig realitätsfern.»
Messerstiche indes werden gerade durch ihre oftmalige Unauffälligkeit brandgefährlich. «Meine Einsatzerfahrung hat mich gelehrt: Verletzungen durch kleine Stichwaffen wie Taschen-, Rüstmesser oder angeschliffene Fahrradspeichen werden im Stress und bei schlechten Lichtverhältnissen oft übersehen, verstecken sich häufig unter Blut- und Schmutzanhaftungen oder liegen an verdeckter Stelle (Brustfalte, unter einem BH-Bügel)», verrät Röhler. «Sie werden nur erkannt, wenn das Opfer entkleidet und jeder Quadratzentimeter Haut mit der Hand abgestreift, mit den Fingern <abgekämmt und abgekrallt> wird. Bei unseren Moulagen wird die Verletzung visuell und taktil erst erkennbar, wenn sie wirklich auch bewusst gesucht wird.»
SMET Social – eine Herzensangelegenheit
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Die speziell geschulten Figuranten werden mit Silikonmoulagen ausgestattet, spielen Verletzungen realistisch und reagieren adäquat auf die angewandten Notfallmassnahmen der Trainierenden.Neben den Kursen für TEM-Kräfte und Figuranten organisiert SMET auch «Street-Medic»-Trainings ohne kommerzielle Interessen. Bei diesen ist kein Zertifikat, sondern der Weg für die Teilnehmer das Ziel. Jörg Röhler: «Wenn ein jugendlicher <Schlägertyp> lernt, mit blossen Händen einen anderen Menschen aus der Gefahrenzone zu ziehen, mittels Heimlich-Manöver vor dem Ersticken zu retten oder notfalls eine schwere Blutung zu stillen, erkennt er, dass er mit den Händen Wertvolleres leisten kann, als Leid zu stiften, zuzuschlagen oder zu zerstören.» SMET organisiert daher Angebote für benachteiligte Menschen. «2021 wollen wir eine Bergwanderung mit einer Gruppe körperbehinderter Menschen machen. Dabei gewinnen alle. Für die Gäste wird Unmögliches möglich, unser Team wird geerdet – und absolviert ein Top-Evakuationstraining», erklärt Röhler.
So plant SMET die Zukunft
Auch sonst plant der junge Verein mit einer aktiven Zukunft. Im Zentrum stehen die Konventionen der Blaulichtbehörden – und der Schutz der Persönlichkeiten des Vereins, die oft Mitglied einer SE oder IE sind. «Neben weiteren Kooperationen mit Polizeikorps, wie bereits 2019 und 2020, werden wir auch 2021 wieder die Abschlussübungen der SVTM unterstützen. Zudem winkt eine Einladung nach Wien, wo wir eine Grossübung der Polizei unterstützen dürfen», freut sich Röhler.
Parallel such SMET selbst auch noch Unterstützung. «Im PROFI+-Team sind noch einige wenige Plätze für Schlüsselpositionen offen, im FIGU+-Team sind engagierte Leute mit speziellen Skills (Medizin, Maskenbildnerei, Schauspielerei) stets willkommen. Voraussetzung ist neben einer aktiven oder ehemaligen Funktion bei der Polizei ein ausgewiesener Status als Medic, vorzugsweise durch Besuch des dreitägigen TEM-Grundkurses der SVTM. Überdies freut sich der Verein über materielle Zuwendungen in Form von Altkleidern und Trainingsmaterial. Der grösste Traum ist ein eigenes Einsatzfahrzeug, um Mensch und Material zu transportieren», sagt Röhler. Wer mehr Informationen zu SMET wünscht, den Verein unterstützen oder diesem beitreten möchte, erreicht das Team per E-Mail an Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.