Der Schweizer Polizei-Informatik-Kongress (SPIK) zielt auf Austausch und Vernetzung. Bisweilen werden dort aber auch klare Forderungen geäussert, die Anlass geben, die Dinge anzupacken. Das zeigt sich beispielhaft am Programm Harmonisierung Polizeiinformatik (HPi).

František Habada beeindruckte am SPIK 2016 das Publikum.František Habada beeindruckte am SPIK 2016 das Publikum.

Neun Jahre sind ins Land gezogen, seit der Berner Regierungspräsident und Polizeidirektor Hans-Jürg Käser im Rahmen seiner Eröffnungsrede am SPIK 2010 eine schweizweite Vernetzung der Polizeiinformatik bis spätestens 2020 forderte. «Es darf nicht sein, dass sich jeder Kanton auf eigene Faust eine Lösung sucht, die womöglich nicht einmal kompatibel mit den Systemen anderer Kantone ist. Es braucht eine Harmonisierung der polizeilichen IT-Strukturen», kritisierte er damals. Vernetzung sei letztlich im Interesse der Verbrechensbekämpfung.

2011: Harmonisierung Polizeiinformatik wird lanciert

Nur ein Jahr später stellte Markus Röösli, Chef der IT-Abteilung der Kantonspolizei Zürich, in seiner Keynote am SPIK das Programm «Harmonisierung der Polizeiinformatik (HPi)» vor, zu dessen Leiter er kurz zuvor bestellt worden war. Das von der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektionen (KKJPD) angestossene Projekt solle sich, erklärte Röösli, «auf polizeiliche Kernbereiche beschränken und insbesondere die kantonale Polizeihoheit respektieren». Aufgrund der nötigen erheblichen Standardisierung werde die konkrete Umsetzung allerdings «ein jahrelanger, in Etappen und Teilziele gegliederter Prozess» werden.

Im Nachgang zum SPIK, im Herbst 2011, wurde eine Verwaltungsvereinbarung, ausgearbeitet von einer vom KKJPD ins Leben gerufenen Begleitgruppe aus Regierungsmitgliedern, Polizeikommandanten und Experten, verbindlich verabschiedet. Am 10. November 2011 unterzeichneten Bundesrätin Simonetta Sommaruga, damals Vorsteherin EJPD, und Karin Keller-Sutter, zu jener Zeit Regierungsrätin und KKJPD-Präsidentin, sowie in der Folge die Kantone und beteiligten Bundesstellen die Vereinbarung.

Noch bevor die beiden Frauen die Füller zückten, wurden schon zwei konkrete nationale HPi-Projekte lanciert: der Aufbau einer mandanten­fähigen, webbasierten Registerlösung für die Vernetzung der kantonalen Waffenregister (Onlineabfrage Waffenregister, OAWR) und die Etablierung des virtuellen Polizeipostens Suisse ePolice.

2013: Die Organisation von HPi wird ausgedünnt

Am SPIK 2013, zwei Jahre nachdem er die Leitung des Programms HPi übernommen hatte, erklärte Markus Röösli, die bisher zu komplexe Organisation von HPi sei verschlankt worden. Die Schweizerische Polizeitechnische Kommission (SPTK) sei in die Polizei-Technik und -Informatik (PTI) überführt, ihre Dienstleiter mit den HPi-Programmmanagern zusammengeführt worden. Nicht zuletzt würden statt Milizlern künftig verstärkt fest angestellte IT-Profis eingesetzt, um konkrete Projekte schneller vorantreiben zu können. Nach wie vor gelte es aber auch, unzählige Applikationsbrüche zwischen den kantonalen Korps endlich aufzulösen.

2015: erste konkrete Erfolgsmeldungen zu HPi

Nochmals zwei Jahre später, am SPIK 2015, waren die Harmonisierung und die Standardisierung der Polizei-Informatik erneut ein intensiv diskutiertes Thema: Toni Frisch, Projektleiter der Sicherheitsverbundsübung (SVU) des Bundes, kritisierte seinerzeit die helvetisch-föderalistische Komplexität mit ungewohnt deutlichen Worten. Bei der Notfallübung 2014 hätten sich teils «eklatante Wissenslücken zwischen Bund und Kantonen» gezeigt, die es zu schliessen gelte – und zwar rasch. Zudem wurde am SPIK 2015 klar: Die kantonal sehr uneinheitliche Vorgangsbearbeitung, als Kern jeder Polizeilösung, ist ein bedeutsames Problem, das einer Lösung bedarf.

Doch es gab damals auch erste Erfolgsmeldungen zu HPi: Suisse ePolice wurde in den ersten Kantonen lanciert, 24 der 26 Kantone verfügten im Frühjahr 2015 über eine App für den Einsatz von Sondereinheiten (AppSOE) und ein HPI-Intranet vereinfacht seit jenen Tagen die Koordination des gesamten Programms. Ebenfalls gute Nachrichten wurden bezüglich OAWR vermeldet: Die technische Bereitschaft war 2014 erstellt worden und die Applikation konnte landesweit ausgerollt werden. Letztlich dauerte es aber noch bis Oktober 2016, ehe OAWR effektiv genutzt werden durfte. Der Grund: Die zur Legalisierung seiner Nutzung nötige Revision des Waffengesetzes (neuer Artikel 32a Abs. 3) wurde erst im Sommer 2016 abgeschlossen.

Ebenfalls beim SPIK 2015 wurden zwei neue HPI-Projekte vorgestellt: das sichere Polizeimail (SPMail) als Ersatz für das veraltete Polmail und die Ausschreibung für «Instant Messenger Police (IMP)», welches auch als «Polizei-WhatsApp» zu Bekanntheit gelangte.

2018: Immerhin acht HPi-Lösungen existieren

Heute sind beide Applikationen weit gediehen. «secEMAIL» wurde 2017 und 2018 bei 21 Kantonspolizeikorps eingeführt, die App «IMP» steht gar bei 23 Korps im Einsatz. Zusammen mit Suisse ePolice, OAWR, HCT Harmonisierung Codetabellen, der nationalen Bildungsplattform Polizei (NBPP), der Einbruchspräventions-App (App EP) und dem Identity and Access Management HPi stehen aktuell acht HPi-Lösungen im Einsatz. Teils landesweit, teils in den meisten und im Fall von App EP immerhin in rund einer Handvoll Kantone.

Das sind prinzipiell erfreuliche Entwicklungen. Doch es muss auch klar werden: Bisher adressiert HPi eher kleine Projekte in der Peripherie der Polizei-IT. Wesentliche Kernbereiche, etwa Lösungen zur Vorgangsbearbeitung, eine übergreifende Lösung für Online-Personenabfragen aus den kriminalpolizeilichen Datenbanken oder eine verstärkte Konzentration der Einsatzleitzentralen, wurden bisher gar nicht oder höchstens punktuell angegangen.

HPi muss nun die Kernprobleme anpacken

Dabei liefert der SPIK auch diesbezüglich durchaus wertvolle Ansatzpunkte. So erinnern sich viele, die 2016 am SPIK waren, an den Auftritt von František Habada. Der Leiter der Einsatzzentrale (ELZ) des Polizeipräsidiums der Tschechischen Republik zeigte auf, wie sein Land 90 bestehende ELZ durch 15 moderne, überregionale ELZ ablöste – innerhalb von fünf Jahren und mit einem Investitionsvolumen von bescheidenen 14 Mio. Euro. Die neuen ELZ wurden mit einer von der ausschliesslich für den Staat tätigen Firma Komcentra entwickelten Individuallösung ausgerüstet und versorgen heute das gesamte Staatsgebiet und mehr als 10 Mio. Einwohner. Viele fragen sich: Warum gönnt sich die Schweiz mit ihren nur 8,3 Mio. Einwohnern bis heute den Luxus von mehr als doppelt so vielen polizeilichen ELZ, die zudem teils noch über mehrere Standorte verteilt und mit unterschiedlichen IT-Systemen ausgestattet sind? Die Antwort ist unbequem: Es ist vor allem ein politisch-strukturelles Problem namens Föderalismus, gepaart mit kantonaler Eigenbrötlerei, Kompetenzrangeleien zwischen Departementen des Bundes, überregulierten Behörden, Ämtern und Akteuren, die persönliche Eitelkeiten pflegen und sich um Macht, Budgets und Personal balgen.

Entsprechend wird das Thema «Harmonisierung der Polizeiinformatik», welches Hans-Jürg Käser im Jahr 2010 «innert zehn Jahren» – also bis 2020 – gelöst sehen wollte, auch künftig am SPIK regelmässig aufscheinen. Es bleibt zu hoffen, dass am SPIK jene Initialimpulse gezündet werden, die nötig sind, damit HPi die Peripherie verlässt und sich verstärkt auf die Kerngebiete der Polizeiinformatik fokussiert.

 

«Die Harmonisierung der Polizei-IT wird 2019 Schub erhalten»Markus RöösliMarkus Röösli

Die Harmonisierung der Polizei-IT hat schon einige Hürden genommen – kommt aber bezüglich der Kerngebiete nur langsam voran. Markus Röösli, Leiter des Programms HPi, erläutert die Gründe und gewährt einen Ausblick auf die nächsten Schritte.

«Die schweizweite IT-Zusammenarbeit unter den Polizeikorps und in gewissen Bereichen auch unter allen Blaulichtorganisationen hat prinzipiell eine lange Tradition. Jahrzehntelang geschah dies vor allem über die Schweizerische Polizeitechnische Kommission (SPTK). Heute ist die Kooperation über die Nachfolgeorganisation Polizei-Technik und -Informatik (PTI) und seit 2011 im Speziellen über HPi organisiert. Für die operative Umsetzung ist eine Geschäftsstelle zuständig und für das Management gewisser Anwendungen wurden insgesamt fünf Vereine gegründet.

In den letzten Jahren wurden im Rahmen von HPi/PTI verschiedene Vorhaben erfolgreich umgesetzt. Die Harmonisierung zentraler Polizeianwendungen, beispielsweise eines gemeinsamen Vorgangsbearbeitungssystems oder einer gemeinsamen Lagedarstellung, aber auch die Intensivierung und Automatisierung des Datenaustausches hat aber bisher nicht wie angestrebt stattgefunden. Zudem hat die strategische Führungsebene des Programms HPi zu wenig Einfluss auf die Programminhalte genommen.

Eine Vernetzung der Datenbanken der Polizeibehörden und die Schaffung von rechtlichen Grundlagen für einen automatisierten Informationsaustausch, die heute für eine moderne und effiziente Polizeiarbeit unabdingbar sind, konnten deshalb bisher nicht realisiert werden. Zudem ist generell eine zunehmende Digitalisierung der Polizeiarbeit nötig, um die innere Sicherheit weiterhin gewährleisten zu können.

Um der Harmonisierung der Polizei-IT in naher Zukunft noch mehr Schub zu geben, wird die KKJPD an ihrer kommenden Frühjahrstagung eine Reorganisation von PTI und HPi beantragen. Auch sollen die bisher fünf Vereine in einem einzigen Verein zusammengeführt werden. Zusätzlich zu diesen organisatorischen Massnahmen hat die Kommandantenkonferenz konkrete Projekte von nationaler und strategischer Bedeutung definiert, welche im Rahmen von PTI durchgeführt werden sollen.»

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