© Jörg Rothweiler
er neue vollelektrische Volvo EX30 ist klein, aber oho – und pfeilschnell.Höher, schneller, weiter? Im urbanen Umfeld ist das nicht zielführend. Daher lohnt ein Blick auf den neuen vollelektrischen Volvo EX30. Dieser bietet dank kompakter Aussenmasse eminente Vorteile – auch über die Grenzen der Stadt hinaus.
Blaulichtkräfte schleppen viel Ausrüstung mit – und sind daher meist mit Fahrzeugen unterwegs, die in der Fahrgastzelle ebenso viel Platz bieten wie im Kofferraum. Diese machen ihnen das Leben leichter – werden aber zur Last, wenn es darum geht, sie im urbanen Raum zu parkieren oder durch die engen Gassen einer typischen Schweizer Altstadt zu manövrieren. Zudem verbrauchen sie, selbst wenn es sich um vollelektrische Fahrzeuge handelt, mehr Energie. Und da auch ihre Produktion ordentlich Ressourcen verschlingt, haben kleinere Fahrzeuge eine deutlich bessere Gesamt-CO2-Bilanz. Zudem wuseln Letztere viel behänder durch den Grossstadtdschungel und finden leichter einen Parkplatz – was Einsatzkräften zu mehr Tempo im Einsatz verhilft.
All dies macht den neuen vollelektrischen Volvo EX30 für alle interessant, deren Revier die Stadt und die Agglomeration ist. Denn der knuffig gestylte Schwede will, verspricht Volvo, «gross in jeder Hinsicht sein, ausser in Sachen Grösse».
Mehr Beinfreiheit als in grösseren Modellen
© Jörg RothweilerFür Fahrer und Beifahrer gibt es reichlich Platz. Im Fond indes ist der Raum eher knapp.Tritt man an den Volvo EX30 heran, stechen die kurzen Karosserieüberhänge ins Auge. Bei einer Gesamtlänge von 4,23 Metern stehen die Räder stattliche 2,65 Meter voneinander entfernt auf dem Asphalt. Zum Vergleich: Der Volvo XC40 Recharge, ein ausgewachsenes SUV, ist 21 Zentimeter länger als der EX30, hat aber nur 5 Zentimeter mehr Radstand. Und der XC60, der den EX30 um fast einen halben Meter überragt, hat nur 21 Zentimeter mehr Radstand als dieser.
Was diese Zahlen in der Realität bedeuten, merkt sofort, wer sich hinters Steuer des Volvo EX30 setzt. Für ein so kompaktes Auto ist das Raumangebot grosszügig. Die Beinfreiheit beträgt 1,06 Meter. Das sind zwei Zentimeter mehr als im XC40 und sogar ein Zentimeter mehr als im ellenlangen XC60. Lange Beine allein sind beim EX30 also kein Gegenargument. Und auch wenn der ganze Mensch etwas länger gewachsen ist, passt alles. Die Kopffreiheit liegt auf Niveau von XC40 und XC60 – obwohl der EX30 mit 1,55 Meter Höhe rund 10 Zentimeter niedriger baut. Einzig sehr grosse Menschen mit etwas massiverem Knochenbau könnten monieren, dass Schulter- und Hüftfreiheit etwas geringer bemessen sind als in den grösseren Modellen, die überdies im Fond deutlich mehr Beinfreiheit bieten. Doch dem Komfort von Fondpassagieren kommt in Einsatzfahrzeugen ja meist eine eher untergeordnete Rolle zu.
Zwei Gepäckräume
Öffnet man die Heckklappe, fällt die Argumentation gegen kleinere Autos leichter. Auch Volvo kann nicht zaubern – und bei 4,23 Meter Länge kann das Gepäckabteil nicht riesig sein. Der Kofferraum des EX30 bietet – gemessen bis Unterkante Gepäckraumabdeckung und inklusive des 61-Liter-Staufachs unter dem höhenverstellbaren Ladeboden – 318 Liter (Fondsitze umgelegt: 904 Liter). Die maximale Zuladung beträgt (aufgrund des eher hohen Eigengewichts von 1765 bis 1920 Kilogramm, je nach Motorisierung/Akkugrösse) 415 bis 465 Kilogramm. Entsprechend sind Umsicht und Flexibilität vonnöten bei der Definition dessen, was im Einsatz wirklich mitgeführt werden muss.
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Schick, aber unpraktisch: Alle Anzeigen erfolgen über den grossen Zentral-Touchscreen, ein Head-up- oder wenigstens ein kleines Fahrer-Display gibt es nicht.Fahrleistungen wie ein Grosser
So klein der Kofferraum ist, so gross werden die Augen, wenn man dem EX30 die weite Welt zeigt. Bei den Single Motor-Modellen reissen 272 PS an den Hinterrädern. Genug, um den Spurt von 0 auf 100 km/h in wenig mehr als fünf Sekunden zu erledigen. Im Fall des «Twin Motor Perfomance»-Modells mit Allradantrieb schieben mächtige 428 PS den Schweden nach vorne – und in nur 3,6 Sekunden auf Tempo 100 km/h. Ein Ferrari Roma ist mit 3,4 Sekunden nur einen Wimpernschlag schneller!
So zeigt der EX30 dem XC40 und dem XC60 stets die Rücklichter – und ist mit bis zu 180 km/h Topspeed auch für Einsätze ausserhalb der Stadt optimal gerüstet. Zumal er mindestens 344 Kilometer (Single Motor, 51-kWh-Akku) respektive 450 oder 475 Kilometer (Twin Motor AWD oder Single Motor Extended Range, beide mit 69-kWh-Akku) weit stromern kann, ehe er an die Ladestation muss. Ist dies der Fall, kann er am DC-Schnelllader in weniger als einer halben Stunde zu 80 Prozent nachgeladen werden.
Unterwegs im urbanen Revier zaubert der kleine Schwede jedem ein Lächeln ins Gesicht. Den Fussgängern, weil er so gefällig aussieht, und dem Fahrer, weil er kinderleicht zu fahren ist. Das Fahrwerk bügelt selbst übelste Fahrbahnverwerfungen, Bahn- und Temposchwellen weg, die Lenkung ist leichtgängig (und leider etwas indifferent), die Übersicht bestens. Behände und sicher flitzt der EX30 durch die Gassen und über die Boulevards der Grossstadt. Und auch in der «freien Wildbahn» gibt er sich keine Blösse. Zwischenspurts meistert er locker, Kurven umrundet er sicher, die Wind- und Abrollgeräusche bleiben stets dezent und in der Nacht leuchten die LED-Scheinwerfer hell und weit. Nur die Lenkung dürfte bei hohen Tempi weniger nervös agieren.
Viele Assistenzsysteme, aber ein Display zu wenig
Viele Fahrerassistenzsysteme sind im EX30 serienmässig an Bord, gekoppelt an Radargeräte, Kameras und Ultraschallsensoren, die den Verkehr im Blick behalten, die Geschwindigkeit und den Abstand automatisch anpassen, beim Spurwechsel unterstützen und bei Bedarf anhand Fahrzeug-, Fussgänger-, Velofahrer- und Töfffahrer-Erkennung eine Notbremsung einleiten. Überdies gibt’s einen Notbremsassistent für Kreuzungen, den Parkpiloten mit 360-Grad-Surround View und den Türöffnungsalarm «Safe Exit». Der erkennt beim Türöffnen von hinten kommende Radfahrer und unterstützt Fahrer und Beifahrer im Bemühen, diesen nicht die öffnende Fahrzeugtüre in den Weg zu klappen, was immer wieder schwere Unfälle zur Folge hat.
Auch bei Infotainment und Konnektivität ist der EX30 ganz gross. Alle wichtigen Google-Services sind ebenso integriert wie Wireless Apple Car Play. Die Bedienung erfolgt über Tasten auf dem oben und unten abgeflachten Lenkrad – oder über den hochformatigen, zentralen 12,3-Zoll-Touchscreen (31 cm Diagonale).
Doch wo bitte sind das Head-up- oder zumindest ein FahrerDisplay mit Tacho? Gibt es nicht – und das ist mehr als schade. Wie bitte kommt ausgerechnet Volvo, der Hersteller, bei dem Sicherheit stets grossgeschrieben wird, auf die Idee, einzig ein Zentraldisplay im Auto zu platzieren? Muss der grösste Fehler von Tesla unbedingt kopiert werden? Viel zu oft muss man – nur schon, um das aktuell gefahrene Tempo überprüfen zu können – den Blick zur Cockpitmitte und damit weg vom Verkehrsgeschehen wenden. Sorry, liebe Volvo-Ingenieure, das ist gefährlich.
Ab knapp 37’000 Franken
Auch wenn Behördenfahrzuge in einer eigenen Preisklasse spielen, sei erwähnt, dass der «kleine Grosse» beim Preis überrascht. Denn Volvo bietet den auf derselben (chinesischen) Geely-Konzern-Plattform wie der Smart #1 und Zeekr X basierenden EX30 bereits ab 36’800 Franken (Single Motor E40, Core-Ausstattung) an. Und selbst der bärenstarke E60 Twin Motor Performance AWD in edler Ultra-Ausstattung bleibt 350 Franken unterhalb der magischen 50’000-Franken-Grenze. Damit ist dieser rund 3’000 Franken günstiger als der am einfachsten ausgestattete XC40 mit Single Motor und mehr als 15’000 Franken billiger als der XC40 Twin Motor AWD in seiner bestbestückten Variante.
Fast schon ein Dumpingangebot für ein Auto, das bis auf einen etwas kleineren Kofferraum und das fehlende FahrerDisplay den grossen Brüdern in nichts nachsteht und eine wirklich grosse Figur macht – nicht nur in der Stadt.
Mehr Informationen gibt’s bei der Volvo Car Switzerland AG. Diese hat ihren Sitz seit Mitte Dezember 2023 übrigens an der Riedthofstrasse 128b in 8105 Regensdorf.