© Stadtpolizei St.Gallen
Sie kommen zum Einsatz, wenn es kritisch wird: Mitglieder der SE S.T.E.P. üben das Aussteigen aus dem Helikopter.1974 gründete die Stadtpolizei St.Gallen mit der Sondereinheit S.T.E.P. («Spezielle Taktische Einsätze der Polizei») eine eigene Polizeigrenadier-Gruppe. Diese hat sich im Laufe der Jahre stets weiterentwickelt und kooperiert aus guten Gründen eng mit der Rettung St.Gallen und der Berufsfeuerwehr der Stadt St.Gallen.
Die SE S.T.E.P. der Stadtpolizei St.Gallen wurde 1974 aufgrund vermehrter Anschläge, Entführungen und politischer Morde in Europa gegründet. Sie ist gemäss Zuständigkeitsregelung für die sicherheitspolizeilichen Aufgaben auf dem Stadtgebiet zuständig und zählt aktuell knapp zwei Dutzend Mitglieder, die jährlich rund 20 bis 25 Einsätze leisten. Dabei sind die speziell ausgebildeten und ausgerüsteten Polizisten für Einsätze vorgesehen, bei denen ein besonderes Risiko besteht, also insbesondere Amokdrohungen, risikoreiche Verhaftungen mit einer gewaltbereiten oder bewaffneten Täterschaft sowie Interventionen bei erhöhten Gefährdungslagen. Zudem sind die Grenadiere der SE S.T.E.P. regelmässig auch als Personenschützer im Einsatz, beispielsweise am jährlichen World Economy Forum WEF oder bei anderen Konferenzen.
Im Milizsystem organisiert – der vielen Vorteile wegen
Die SE S.T.E.P. ist seit ihren Anfängen im Milizsystem organisiert. Das bedeutet: Die meisten Angehörigen der Einheit arbeiten im Schichtbetrieb auf den Dienstsektionen – unmittelbar an der Front. Ihre Aufgabe als Grenadiere nehmen sie als Zusatzfunktion wahr. Lediglich der Leiter und sein Stellvertreter sind zu 100 Prozent im Tagesdienst tätig. Weitere fünf Mitglieder arbeiten zu 60 Prozent als Instruktoren und zu 40 Prozent im Schichtbetrieb.
Dieses System erachten die Stadtpolizei St.Gallen und der Stadtrat als besonders wertvoll, wie Sascha Landis, seit 2014 Leiter der Abteilung Spezialformationen (L SF) bei der Stadtpolizei St.Gallen, erklärt: «Durch das Milizsystem ergibt sich eine enge Verflechtung der SE S.T.E.P. mit dem Sektionsdienst einerseits sowie mit dem Bereich Ausbildung andererseits. Beides trägt nachhaltig zu einer hohen Sicherheit und Qualität im Frontdienst bei.» Allem voran, so Landis, garantiere der regelmässige Frontdienst der Milizangehörigen der SE S.T.E.P. zum einen den Transfer und die Verankerung des erweiterten Know-hows der Grenadiere im Patrouillendienst. Zum anderen ergebe sich daraus ein steter, aktueller Bezug zur polizeilichen Praxis, wodurch insbesondere der Aspekt der Verhältnismässigkeit geschärft werde.
«Ein weiterer, eminenter Vorteil», so Sascha Landis, «ist die Tatsache, dass sich in heiklen Situationen mit erhöhtem Gefahrenpotenzial, die zwar noch unterhalb der Schwelle des Einsatzes der SE S.T.E.P. liegen, aber dennoch ein unverzügliches Handeln erfordern, sehr schnell ein erstes Element aus speziell geschulten Polizeikräften mit Orts-, Personen- und Milieukenntnissen bilden lässt, das mit vertiefter Ausbildung und zusätzlicher Ausrüstung einschreiten kann.»
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Anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums «Hauptquartier Vadianstrasse 57» demonstrierten Angehörige der SE S.T.E.P. die Überwältigung eines Gewalttäters unter Einsatz eines Diensthundes.Enge Zusammenarbeit mit Rettung und Feuerwehr
Teamwork ist für jede Sondereinheit ein wichtiger Erfolgsfaktor. Dabei geht die SE S.T.E.P. einen entscheidenden Schritt weiter – über die eigene Organisation hinaus. «Bei speziellen Einsätzen sind häufig auch medizinisches Knowhow oder das spezielle Fachwissen von Feuerwehrleuten gefragt», erklärt Sascha Landis. «Daher haben wir Konzepte für eine verbesserte Zusammenarbeit mit der Rettung und der Berufsfeuerwehr der Stadt St.Gallen entwickelt, die bei risikoreichen Einsätzen ein Vorgehen im Verbund ermöglichen.»
Konkret wurden zwei spezielle taktische Elemente geschaffen: das auf die medizinische Versorgung von Personen fokussierte «Taktische Medizinische Element (TME)» und das auf Einsätze, bei denen das Fachwissen von Feuerwehrleuten gefragt ist, spezialisierte «Taktische Feuerwehr-Element (TFE)». Die Mitglieder der beiden Elemente stammen aus den Reihen der Rettung sowie der Feuerwehr der Stadt St.Gallen und treten im Sondereinsatz im Verbund mit der SE S.T.E.P. an.
«Wie die Mitglieder der SE S.T.E.P. sind auch die Einsatzkräfte des TME und des TFE mit entsprechender Schutzausrüstung inklusive ballistischer Überziehweste sowie Helm ausgerüstet. Zudem tragen sie zugunsten des Persönlichkeitsschutzes im Einsatz eine Strumpfmaske», erläutert Sascha Landis. «Im Ereignisfall rücken sie gemeinsam mit den Kräften der SE bis in die gelbe Zone vor. Da dies ein abgestimmtes taktisches Vorgehen und gegenseitiges Verständnis erfordert, finden mehrmals im Jahr gemeinsame Trainingssequenzen statt.»
Taktisches Medizinisches Element (TME)
© Stadtpolizei St.GallenAngehörige des Taktischen Medizin Elements TME bei einer Übung.
Das Taktische Medizinische Element (TME) besteht seit 2018 und ist im 24/365-Modus abrufbar. Es dient der medizinischen Absicherung der Grenadiere sowie Dritter bei Einsätzen mit besonderem Risiko und wird automatisch aufgeboten, sobald es in der Stadt St.Gallen zu einem Einsatz der Sondereinheit kommt. Aktuell besteht das TME aus zwei Rettungssanitäterinnen und 16 Rettungssanitätern der Rettung St.Gallen. Zusätzlich zu Einsätzen mit der SE S.T.E.P. wird das TME auch bei risikoreichen Ordnungsdiensteinsätzen wie Sportveranstaltungen eingesetzt. Jährlich kommen die TME-Kräfte auf 20 bis 30 Einsätze. Zudem geben sie ihr vertieftes medizinisches Fachwissen in Schulungen an die anderen Mitglieder der SE S.T.E.P. weiter, damit auch diese in der Lage sind, einfache medizinische Versorgungen durchzuführen.
Taktisches Feuerwehr-Element (TFE)
Der Umgang mit Feuer, Brand- oder Explosivfallen, Rauch- oder Gasentwicklung sowie Brand- oder Säurewurfgeschossen erfordert spezialisiertes Know-how. Daher wurde 2022 das Taktische Feuerwehr-Element (TFE) mit Angehörigen der Berufsfeuerwehr der Stadt St.Gallen geschaffen. Im Einsatz tragen die Kräfte des TFE zusätzlich zur Schutzausrüstung nötigenfalls auch Atemschutzgeräte, womit sich das Gewicht der persönlichen Ausrüstung auf etwa 45 Kilogramm aufsummiert! Die Mitglieder des TFE kommen zum Einsatz, sobald Spezialwissen aus dem Feuerwehrbereich eminent ist – etwa, wenn suizidale Personen mit dem Einsatz brennbarer Flüssigkeiten drohen. Überdies stehen sie parat, wenn es darum geht, eine Tür aufzusägen, ein Sprungkissen zu stellen oder Grenadiere beim Abseilen zu unterstützen.
Heiklen Einsatz gemeinsam bewältigt
Ein Beispiel der erfolgreichen Zusammenarbeit liefert ein Einsatz im Juli 2022: Ein Mann auf einer 100 Meter hohen Brücke wollte seinem Leben ein Ende setzen und hielt sich bereits im Auffangnetz der Brücke auf, als die Meldung bei der Stadtpolizei St.Gallen einging. Die Polizisten nahmen vor Ort Kontakt mit dem Mann auf, der im Verlauf des Einsatzes drohte, er habe eine Faustfeuerwaffe dabei. Die Herausforderungen – Bergung mit entsprechender Sicherung, Anhaltung, eventuelle medizinische Betreuung – waren vielschichtig und bargen ernst zu nehmende Risiken für die Einsatzkräfte. Entsprechend kamen Spezialisten der SE S.T.E.P., des TME, des TFE sowie der Verhandlungsgruppe zum Einsatz. Während Letztere mit dem Mann Gespräche führte, gelangten Mitglieder der SE, des TME und des TFE in dessen Nähe. Rund sechs Stunden nach Meldungseingang erklärte sich der Mann bereit, über eine durch das TFE gesicherte Leiter zur Brücke aufzusteigen. Dazu liess das TFE einen Klettergurt hinunter und leitete den Mann an, diesen korrekt anzulegen. Auf der Brücke angekommen, wurde er durch Mitglieder der SE arretiert und durchsucht. Eine Waffe konnte nicht gefunden werden. Eine medizinische Betreuung war in diesem Fall nicht notwendig, das TME hätte aber jederzeit und auch bei erhöhtem Risiko entsprechend eingreifen können.
Dieses Beispiel zeigt den Mehrwert der SE, der beiden Sonderelemente sowie der Verhandlungsgruppe – und illustriert die Wichtigkeit guten Teamworks. «Dieses funktionierte einmal mehr sehr gut – nicht zuletzt, weil sich die involvierten Spezialkräfte durch gemeinsame Trainings bereits kennen, wodurch auch das nötige gegenseitige Verständnis vorhanden war», betont Sascha Landis.