© Stadtpolizei St.GallenDie Stadtpolizei St.Gallen sorgt mit rund 260 Personen rund um die Uhr für Sicherheit in der grössten Metropole der Ostschweiz – hier beim Herbstjahrmarkt im Jahr 2022.Die Stadtpolizei St.Gallen sorgt mit rund 260 Personen rund um die Uhr für Sicherheit in der grössten Metropole der Ostschweiz – hier beim Herbstjahrmarkt im Jahr 2022.Am 24. Juni 2023 feierte die Stadtpolizei St.Gallen ihr 25-Jahr-Jubiläum am Standort an der Vadianstrasse 57. Wir nutzten die Gelegenheit, um aus erster Hand mehr über die Aufgaben und die Organisation der «Stapo SG» zu erfahren.

Der Überlieferung nach gilt der irische Mönch Gallus, der sich im Jahr 612 auf einem unbewohnten Fleckchen Erde am Oberlauf der Steinach in der Ostschweiz niederliess, als erster «St.Galler». Heute leben in der Gallusstadt, die 1803 zum Hauptort des auf Verordnung Napoleons gegründeten Kantons St.Gallen wurde, rund 80’000 Menschen. Zudem strömen täglich gegen 40’000 Pendler sowie Tausende ­Touristen und Besucher in die vom Rosenberg im Norden und dem Freudenberg mit den Drei Weieren im Süden ­umfasste Stadt, die sich über fast 40 Quadratkilometer ­erstreckt.

Quartierpolizisten – ein wichtiges Puzzleteil

Bereits um das Jahr 1831 gab es mehrere Polizeiposten im Stadtgebiet, die für eine hohe Bürgernähe sorgten. Zwar wurden einige davon in den 1930er-Jahren, als die Stadtpolizei dank Motordroschken und Motorrädern immer mobiler wurde, geschlossen. Doch weil sich zeigte, dass dadurch eine gewisse Entfremdung zwischen Bevölkerung und ­Polizei entstand und das Sicherheitsgefühl der Menschen abnahm, wurden einige Quartierposten wiederbelebt. ­«Heute gibt es nur noch das Polizeigebäude an der Vadianstrasse 57 und eine Kontaktstelle in der Neugasse», erklärt Roman Kohler, Leiter Kommunikation der Stadtpolizei St.Gallen. «Jedes der acht Quartiere verfügt aber über einen Quartierpolizisten, der sich der Anliegen der Bevölkerung ­annimmt. Die Quartierpolizei ist unser direkter Draht zu den Menschen und den Quartiervereinen – ein unerlässliches Bindeglied zur Bevölkerung.»

Letztere schätzt, das hat zuletzt eine Umfrage der Fachhochschule St.Gallen zum Thema «Subjektive Sicherheit» bestätigt, die Nähe zur Stadtpolizei, wie Kevin Koller, seit 2021 Leiter Bereich Support bei der Stadtpolizei St.Gallen und einst selbst im Frontdienst im Einsatz, erläutert: «Die Menschen erachten unsere Präsenz in der Innenstadt, insbesondere an den Wochenenden, bei Grossanlässen wie den Jahrmärkten während der OLMA und OFFA oder auf dem St.Gallerfest, als gut. Mehr als 60 Prozent der Befragten empfinden die Patrouillentätigkeit als genau richtig. Andere würden sich gerne noch mehr Präsenz wünschen, einige wenige Prozent wären auch mit weniger zufrieden.»

© Stadtpolizei St.GallenQuartierpolizisten, die den persönlichen Kontakt zur Bevölkerung und den Quartiervereinen pflegen, gehören seit den Anfängen vor nahezu 200 Jahren zur Stadtpolizei St.Gallen.Quartierpolizisten, die den persönlichen Kontakt zur Bevölkerung und den Quartiervereinen pflegen, gehören seit den Anfängen vor nahezu 200 Jahren zur Stadtpolizei St.Gallen.Ein urbanes Zentrum mit vielfältigen Herausforderungen

Angesichts der vielfältigen und teils besonderen Heraus­forderungen, welche die Stadtpolizei St.Gallen zu bewältigen haben, seien die Umfrageresultate hervorragend, betont Roman Kohler. «Als Zentrumsstadt, Universitäts- und Hochschulstandort sowie kulturelles und urbanes Zentrum der Ostschweiz lockt St.Gallen nicht nur Menschen aus der ­näheren Umgebung, sondern auch aus dem nahen Ausland an. Und überall, wo sich viele Menschen aufhalten, kommt es ­typischerweise auch häufiger zu Konflikten, da unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen.»

Insbesondere an den Wochenenden strömen unzählige Menschen aus der Ostschweiz in die «Stadt im Grünen Ring» – um Veranstaltungen zu besuchen, im Ausgang zu feiern oder einem Fussballspiel beizuwohnen. Ein kleiner Teil davon auch, um in der Anonymität der Stadt Drogen zu ­konsumieren oder mit ihnen zu handeln. Wie die Kriminalstatistik zeigt, sind Betäubungsmitteldelikte und Straftaten in der Stadt St.Gallen, gemessen am Bevölkerungsanteil, häufiger als im restlichen Kantonsgebiet. Das ist durchaus typisch für Zentrumsstädte, erfordert aber bezüglich Sicherheit auch entsprechende Massnahmen.

«Als urbanes Zentrum zieht St.Gallen Menschen aller ­Gesellschaftsschichten an. Fussballspiele, kulturelle ­Veranstaltungen, das vielseitige Gastro-Angebot und nicht zuletzt die schönen Orte im öffentlichen Raum ziehen an Wochenenden viele Menschen an», weiss Roman Kohler. Das bringe, ergänzt Kevin Koller, mannigfaltige Heraus­forderungen mit sich. «Als Stadtpolizei sind wir für die ­Sicherheit auf dem Stadtgebiet verantwortlich – auch, wenn anlässlich eines Grossanlasses Tausende Menschen in die Stadt strömen.» Zwar geniesst die Stadtpolizei St.Gallen dabei grossen Rückhalt vonseiten der Stadt, die mit Grossanlässen wie jüngst der Tour de Suisse die Stadt ­beleben möchte, doch gerade mit den aktuell knappen ­personellen Ressourcen ist das eine Herausforderung.

230 Stellen – für die Sicherheit von bis zu 120’000 Menschen

Zur Verfügung stehen der Stadtpolizei St.Gallen dafür ­aktuell knapp 230 Sollstellen, die von rund 260 Personen (Voll- und Teilzeitkräfte) besetzt werden. «Aktuell agieren wir, wie ­viele andere Polizeikorps auch, unter dem Soll­bestand», erklärt Roman Kohler. Schuld daran seien ­vermehrte ­Abgänge seit 2022. Den Fachkräftemangel spürt die Polizei ebenso wie die Privatwirtschaft. «Allerdings ­können wir nicht so schnell und flexibel reagieren», gibt Kevin Koller zu bedenken. «Es benötigt Zeit, bis Neuzu­gänge rekrutiert, ausgebildet und einsatzbereit sind. Zudem ­können wir nicht so einfach wie in der Privatwirtschaft ­höhere Löhne ­bezahlen.»

Zwar erzielte die Stadtpolizei St.Gallen, die in den vergangenen Monaten wie viele Polizeien in der Schweiz über­durchschnittlich viele Abgänge verzeichnen musste, 2022 und 2023 bei der Rekrutierung neuer Kräfte erfreuliche Resultate. Doch diese werden erst in den kommenden ein bis zwei Jahren eine Entlastung bewirken.

Darauf angesprochen, ob es sinnvoll sei, wenn sich Polizeikorps untereinander Mitarbeitende abwerben, sagt Roman Kohler: «Das ist keine nachhaltige Lösung. Alle Korps ­müssen versuchen, mehr Polizistinnen und Polizisten auszubilden. Insbesondere muss die Attraktivität des Polizeiberufes im ganzen Land hervorgehoben werden.»

«Der Polizeiberuf ist attraktiv – hier bei uns!»

Dazu setzt die Stadtpolizei St.Gallen auf einen konsequent gepflegten Teamspirit und moderne Arbeitsmethoden.

«Einerseits werden bei uns das Wir und das Miteinander nicht nur propagiert, sondern effektiv gelebt. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass sich alle kennen, der Kommandant beim Znüni häufig anwesend ist und den persönlichen Austausch pflegt», sagt Roman Kohler. Andererseits gebe es Bestrebungen, mehr Flexibilität bezüglich Arbeitsmodellen und Arbeitsort zu schaffen. Stichworte sind Homeoffice ­sowie generell flexiblere Arbeitszeiten und auch neue ­Teilzeitmodelle. Gerade Letztere sollen auch für Frontmitarbeitende – wie beispielsweise Mütter – neue Möglichkeiten bieten.

Zudem setzt die Stadtpolizei St.Gallen auf eine bürgernahe Polizeiarbeit – einerseits durch die Quartierpolizisten, ­andererseits aber auch über die Social-Media-Kanäle. «Je näher wir an den Menschen agieren, desto schneller erkennen wir potenzielle oder bestehende Probleme und desto wirkungsvoller können wir diesen vorbeugen oder sie beheben», sagt Roman Kohler. Das wiederum stärke das Ansehen der Polizei in der Öffentlichkeit, was auch den Polizistinnen und Polizisten in ihrem Arbeitsalltag zugutekomme.

Überhaupt, so Roman Kohler, sei für eine Polizei in einer grossen Stadt ein effizienter und trotzdem möglichst persönlicher Social-Media-Auftritt heutzutage unerlässlich. «Es trägt zu mehr Transparenz, mehr Verständnis, mehr Vertrauen und letztlich auch zu Respekt bei. Entsprechend ist es auch mehr als PR. Es ist von polizeitaktischer Wichtig­keit im Ereignisfall und zudem auch immer wichtiger im Rahmen des Employer Brandings, also der Werbung für den Polizeiberuf.»

Der gesellschaftlichen Werteveränderung gemeinsam begegnen

Die Stadtpolizei St.Gallen stellt seit der Coronapandemie eine Werteveränderung in der Gesellschaft fest. Wir leben in einer Zeit, in der der Respekt gegenüber den Mitmenschen und auch gegenüber dem Staat schwindet. Das betrifft die Polizei, aber auch andere Blaulichtorganisationen und Behörden. Andererseits nehmen Egoismus, Gleichgültigkeit gegenüber den Befindlichkeiten anderer sowie die Gewaltbereitschaft zu. «Seit Corona, dem Ukrainekrieg, der Energie­krise sind die Leute dünnhäutiger, gereizter, weniger resistent gegenüber den Herausforderungen des all­täglichen Lebens und auch gewaltbereiter geworden», bestätigt ­Roman Kohler.

Erkennbar sei dies nicht zuletzt an der steigenden Zahl von Fällen, in denen die Einsatzkräfte mit an psychischen ­Problemen leidenden Menschen konfrontiert sind. Immer häufiger, so Roman Kohler, gerieten auch in St.Gallen ­Menschen jeden Alters aufgrund psychischer Probleme mit der Polizei in Kontakt. Häufig resultieren daraus keine strafrechtlichen, nicht einmal weitere polizeiliche Massnahmen. Dennoch binden die vielen Interventionen und das Schlichten vor Ort die ohnehin schon knappen personellen Ressourcen.

Schockmoment Osterkrawalle 2021

Wie solche Eruptionen in Extremform aussehen können, zeigten die «Osterkrawalle» in St.Gallen im Jahr 2021. Deren Keimzelle war eine vergleichsweise kleine Gruppe von rund 100 Menschen, die im Bereich der Drei Weieren eine Party feiern wollte – was die Stadtpolizei aufgrund der Corona-Schutzmassnahmen nicht zulassen konnte. Zwar gelang es, die Versammlung friedlich aufzulösen. Doch später ent­zündete sich der Frust auf dem «roten Platz» in von Zer­störungswut und Aggressionen gegen die Polizeikräfte ­geprägten Krawallen, die sich Tage später in noch schlimmerem Mass wiederholten.

«Das Ausmass der Gewalt – es wurde sogar ein Moloto­cocktail in Richtung der Einsatzkräfte geworfen – war für St.Gallen neu», sagt Roman Kohler. Immerhin gelang es der Stadt­polizei St.Gallen damals – mit Unterstützung von ­Kräften des Ostschweizer Polizeikonkordats –, die ­Krawalle innert gut einer Woche unter Kontrolle zu bekommen. Massgeblich dafür waren laut Kevin Koller zwei Dinge: konsequente ­Personenkontrollen und Wegweisungen potenzieller Krawallmacher schon an den «Einfallstoren zur Stadt», unter anderem beim Bahnhof. Dies warf zwar Fragen auf, inwiefern solche Wegweisungen rechtlich möglich seien. Dank des politischen Rückhalts bis hoch zur Stadtpräsidentin blieb Kritik auf politischer Ebene aber sehr überschaubar.

© Stadtpolizei St.GallenZum Team der Stadtpolizei St.Gallen gehören, zugunsten einer optimalen Kommunikation mit der Bevölkerung, auch Social-Media-Spezialisten.Zum Team der Stadtpolizei St.Gallen gehören, zugunsten einer optimalen Kommunikation mit der Bevölkerung, auch Social-Media-Spezialisten.Der berühmte «St.Galler Weg» hat sich bewährt

Der sogenannte «St.Galler Weg» stammt aus der Zeit Mitte der 1990er-Jahre, als sich viele Städte mit offenen Drogenszenen konfrontiert sahen und die bekannten Instrumente wie Repression durch die Polizei keine Lösung des Problems brachten. Im Kern geht es beim «St.Galler Weg» darum, dass ein Bewusstsein dafür besteht, dass weder die Polizei noch Präventionsstellen jeweils allein das Problem lösen können. Es geht nur zusammen! Diese Erkenntnis hat sich in St.Gallen bis heute gehalten. Obwohl die Themen heute andere sind als damals. «Nur wenn wir niederschwellig, rasch und pragmatisch mit Partnerorganisationen – auch aus dem präventiven Bereich – zusammenarbeiten, können wir Herausforderungen bestmöglich begegnen», hält Kevin Koller fest. «Daher setzen wir auf eine enge, vertrauens­volle Kommunikation und Vernetzung mit allen relevanten ­Stake­holdern, vom Quartierverein über Partnerorgani­s­a­tionen aus dem präventiven Bereich bis zu den ­Mitarbeitenden der Strassenreinigung. Gute Kommunikation schafft Vertrauen und Verständnis – und damit die Basis für tragfähige Lösungen, die effektiv wirken.»

Der FC St.Gallen – Fluch und Segen zugleich

Dasselbe gilt für Einsätze an Fussballspielen. «Es ist natürlich schön für uns, dass wir mit dem FC St.Gallen einen Super-League-Club in unserer Stadt haben. Insbesondere Risikospiele bedeuten aber auch eine grosse personelle Belastung», sagt Roman Kohler. «Wir verantworten als Stadt­polizei auch bei diesen Fussballspielen die Sicherheit im öffentlichen Raum und arbeiten eng mit dem FC zusammen. Das ist keine Selbstverständlichkeit und essenziell, um der Gewalt rund um sowie an Fussballspielen wirkungsvoll zu begegnen. Bezüglich der personellen Belastung sind wir froh, auf die Unterstützung von Korps des Ostschweizer Polizeikonkordates zählen zu können.»

Gut vernetzt im ganzen Land

Ebenfalls vielschichtig ist das Netzwerk der Stadtpolizei St.Gallen zu anderen Polizeikorps. Bei der Beschaffung der Schutzausrüstung für den Ordnungsdienst schloss sich die Stadtpolizei St.Gallen der Kantonspolizei Bern und der ­Kantons­polizei Basel-Stadt an. Für die Diplomarbeit eines Stadtpolizisten, der 2021 untersuchte, ob E-Bikes in der ­hügeligen Topografie der «Stadt der tausend Treppen» ein probates Einsatzfahrzeug sein können, durfte die Stadt­polizei St.Gallen auf geliehene E-Bikes der Stadtpolizei ­Zürich und der Kantonspolizei Basel-Stadt vertrauen. «Da sich diese bewährten, haben wir für unsere 2022 gegründete, 26 Personen starke Bike Police genau dieselben ­Modelle angeschafft, wie sie die Stadtpolizei Zürich bereits verwendet», erzählt Kevin Koller. «So konnten wir Zeit und Geld sparen. Zudem konnten auch bei der Ausbildung ­Synergien genutzt werden.»

Ergänzend lobt Kevin Koller die Zusammenarbeit auf kommunaler, auf kantonaler, auf Ostschweizer sowie auf nationaler Ebene: «Die Kooperation und der Austausch mit anderen Stadt- und Kantonspolizeien sind für uns wertvoll – und werden gezielt gepflegt und gelebt.»

Enge Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei

In Bezug auf die Zusammenarbeit mit der Kantonspolizei St.Gallen sei die räumliche Nähe – man ist im gleichen Gebäude – ein grosser Vorteil, sagt Kevin Koller: «Die Wege sind kurz, die Vernetzung ist hoch und Entscheide fallen schnell.» Zudem würden Doppelspurigkeiten vermieden – sofern nicht gegenläufige Bedürfnisse und Notwendigkeiten einem gemeinsamen Weg entgegenstehen. Ein Beispiel, bei dem die Kantons- und die Stadtpolizei St.Gallen seit fast

50 Jahren getrennte Wege gehen – und dies wohl auch ­künftig tun werden –, sind die beiden eigenständigen Interventionseinheiten beider Korps. Doch das ist eine andere Geschichte – die Sie weiter hinten in dieser Ausgabe lesen.

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