© zVgMassentierhaltung: Am 21. Oktober 2021 wurde der Tierrettungsdienst von der Kantonspolizei Zürich aufgeboten, um 165 Wellensittiche aus der Wohnung einer verstorbenen Person im Zürcher Unterland zu retten.Massentierhaltung: Am 21. Oktober 2021 wurde der Tierrettungsdienst von der Kantonspolizei Zürich aufgeboten, um 165 Wellensittiche aus der Wohnung einer verstorbenen Person im Zürcher Unterland zu retten.Wer an die Blaulichtkräfte denkt, hat in aller Regel Bilder menschlicher Opfer vor dem geistigen Auge. Doch häufig genug sind Polizei, Feuerwehr oder Rettungsdienst mit in Not geratenen, verletzten oder verunfallten Tieren konfrontiert. Wir haben nachgefragt, was die vor bald 30 Jahren gegründete Stiftung TierRettungsDienst leistet – und weshalb diese nun die landesweit erste voll digitalisierte Einsatzzentrale für die Tierrettung in Betrieb genommen hat.

Die Zahlen sind beeindruckend: Im Jahr 2021 kümmerten sich die knapp 60 Mitarbeitenden und mehr als 90 Frei­willigen der Stiftung TierRettungsDienst um 5’586 aufgefundene, verletzte oder verunfallte Tiere – von der Katze über den Hund und den Papagei bis zu Weissstorch, Siebenschläfer oder die Achatschnecke. «Durchschnittlich nehmen die Mitarbeitenden unserer 24-Stunden-Notrufzentrale rund 40 Telefonanrufe pro Tag entgegen», erklärt Medien­sprecherin Nina Taddei. Und die Zahl der Anrufe und Einsätze der Tierretter steigt Jahr für Jahr.

Viele Einsätze, zahlreiche Ursachen

© zVgSind Tiere in Not, eilen die Mitarbeitenden der Stiftung TierRettungsDienst zu Hilfe.Sind Tiere in Not, eilen die Mitarbeitenden der Stiftung TierRettungsDienst zu Hilfe.Auf die Frage, was die häufigsten Gründe für Einsätze des Tierrettungsdienstes sind, weiss Nina Taddei zunächst kaum, wo sie anfangen soll: «Im Rahmen der Tierrettung gibt es sehr vielfältige, für Aussenstehende schier unvorstellbare Probleme zu lösen», sagt sie. «Wir erhalten Anfragen von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten, Tierspitälern, Auffangstationen, Ämtern, Firmen und natürlich Privatpersonen, die mit verletzten, verunfallten, ausge­büxten oder in einer misslichen Lage befindlichen Heim- oder Wildtieren konfrontiert sind – und umgehend fachkundige Hilfe benötigen.»

Rund 50 Prozent der Einsätze betreffen in Not befindliche Wildtiere, «wobei besondere gesetzliche Bestimmungen zu beachten sind», wie Nina Taddei betont. In der zweiten ­Hälfte der Fälle stehen Heimtiere wie Katzen, Hunde, Kleintiere oder auch Reptilien im Fokus. Nutztiere indes gehören eher selten zur «Kundschaft» des Tierrettungsdienstes. Der Grund: Besitzer von Grosstieren – meist Landwirte oder Pferdehalter – wenden sich meist direkt an ihren Tier­-
arzt – oder rufen die Grosstierrettung (siehe gesonderter Artikel) zu Hilfe.

Die häufigsten Gründe für ein Ausrücken des Tierrettungsdienstes sind verletzte, verunfallte oder von körperlichen Beeinträchtigungen betroffene Tiere. «Sie machen knapp die Hälfte aller Fälle aus», sagt Nina Taddei. Ebenfalls ­häufig seien «Findeltierfälle», sagt sie: «Rund 30 Prozent aller ­Einsätze betreffen aufgefundene Heim- und Wildtiere sowie hilflos und ohne Mutter aufgefundene Jungtiere – beispielsweise aus dem Nest gefallene Jungvögel.»

© zVgIm Tierheim Pfötli werden Findeltiere, Verzicht- und Beschlag­nahme-­Tiere sowie Tiere hospitalisierter oder verhafteter Personen artgerecht untergebracht und umfassend versorgt.Im Tierheim Pfötli werden Findeltiere, Verzicht- und Beschlag­nahme-­Tiere sowie Tiere hospitalisierter oder verhafteter Personen artgerecht untergebracht und umfassend versorgt.Hilfestellung für Blaulichtkräfte

Aber auch menschliche Tragödien lösen Einsätze des Tierrettungsdienstes aus. «Einerseits werden wir zu Hilfe gerufen, wenn im Zusammenhang mit Beschlagnahmungen durch das Veterinäramt Tierschutzfälle entstehen. Andererseits werden wir alarmiert, wenn Haltepersonen von Heimtieren ihre ­betreuerische Aufgabe nicht mehr erfüllen können – sei es aufgrund von Unfall, Tod, Hospi­talisierung, Verhaftung respektive vorübergehender oder dauerhafter Einweisung in eine Institution, in die das Heimtier nicht mitgenommen werden kann oder darf», ­erläutert Nina Taddei.

In all diesen Fällen versorgt der Tierrettungsdienst die betroffenen Tiere – mit Erste-Hilfe-Massnahmen sowie dem Transport in die nächste Tierarztpraxis oder ins Tierspital. Aufgefundene, offensichtlich ausgesetzte, zugelaufene oder abgeschobene Tiere werden von den Tierrettern geborgen und im stiftungseigenen Tierheim Pfötli untergebracht. Handelt es sich beim Findeltier um ein Wildtier, besorgt der Tierrettungsdienst umgehend einen Platz in einer spezialisierten Auffangstation. Und wenn Tierhalter*innen hospitalisiert oder verhaftet werden, verunglücken oder gar sterben, unterstützt der Tierrettungsdienst die Blaulichtkräfte sowie Ämter und Angehörige, indem die zurückgebliebenen Tiere unverzüglich abgeholt und artgerecht untergebracht werden. «Zudem helfen wir bei Einfang- und Katzenkastrationsaktionen, um un­kon­trollierte Populationen einzudämmen», ergänzt Nina Taddei.

© zVgIm April 2021 nahm die Stiftung diesen Rettungswagen in Betrieb. Ausgerüstet mit Kameraüberwachung im Transportraum, zerlegbarer, mobiler Hundebox, mobiler Sauerstoffbox sowie Vollklimatisierung setzt das Fahrzeug landesweit neue Massstäbe im Bereich Tierrettungsfahrzeuge. Mit dem neuen Fahrzeug einher ging die Gelblicht-Bewilligung.Im April 2021 nahm die Stiftung diesen Rettungswagen in Betrieb. Ausgerüstet mit Kameraüberwachung im Transportraum, zerlegbarer, mobiler Hundebox, mobiler Sauerstoffbox sowie Vollklimatisierung setzt das Fahrzeug landesweit neue Massstäbe im Bereich Tierrettungsfahrzeuge. Mit dem neuen Fahrzeug einher ging die Gelblicht-Bewilligung.Mehr als 2’000 stationäre Patient*innen pro Jahr

2021 leistete der Tierrettungsdienst 5’586 Einsätze – und nahm 2’359 Tiere in die Tierpflege auf. «Rund drei ­Viertel davon waren Findeltiere, die restlichen 25 Prozent betrafen überwiegend Verzicht- und Beschlagnahme-Tiere sowie Tiere von hospitalisierten oder verhafteten Personen», ­erklärt Nina Taddei. Mehr als die Hälfte der in die Tierpflege übernommenen Tiere konnte im Verlauf des Jahres 2021 in spezielle Pflegestationen oder in ein neues Zuhause um­platziert werden «Überdies konnten mehr als 500 Tiere wieder bei den ursprünglichen Halter*innen platziert werden – etwa, weil diese aus dem Hospital entlassen wurden oder weil wir die Halter*innen der Findeltiere ausfindig machen konnten», erklärt Nina Taddei. Mehr als 100 aufgefundene Wildtiere konnten nach der nötigen Behandlung wieder in ihren ursprünglichen Lebensraum entlassen werden. «Aber wie jedes Jahr sind auch etliche Tiere, vorwiegend Wild­tiere, trotz aller Bemühungen gestorben oder mussten von den Tierärzt*innen von ihrem Leiden erlöst, also eingeschläfert werden», bedauert Nina Taddei.

Zu 95 Prozent durch Spenden finanziert

Für ihre wertvolle Arbeit ist die Stiftung TierRettungsDienst auf zwei Dinge angewiesen: Freiwilligenarbeit sowie ­finanzielle Zuwendungen. «Die Arbeit der Stiftung finanziert sich grösstenteils aus Spenden und Nachlässen (2021: ca. 4,8 Mio. Franken). Einen ­kleinen Teil der Kosten (2021: 311’000 Franken) decken wir durch Erlöse für unsere Dienstleistungen, namentlich durch Tierplatzierungen, Rettungsfahrten sowie Unterkunftstage von Tieren in unserem Tierheim Pfötli», erklärt Nina Taddei.

Da die Schweizer Bevölkerung ein Herz für Tiere hat, kann die Stiftung für die Zukunft Grosses planen. «Wir haben bereits einen hohen Grad an Professionalisierung erreicht – und verfolgen diesen Weg konsequent weiter. Weil er richtig und wichtig ist», sagt Nina Taddei.

© zVgAnfang Dezember 2022 wurde die neue Einsatz­zentrale – hier während der Realisierung – in Betrieb genommen.Anfang Dezember 2022 wurde die neue Einsatz­zentrale – hier während der Realisierung – in Betrieb genommen.Neue, digitalisierte Einsatzzentrale

Der nächste Meilenstein auf diesem Weg ist die neue, digitalisierte Einsatzzentrale, welche die Stiftung TierRettungsDienst Anfang Dezember 2022 in Betrieb genommen hat. «Diese landesweit erste volldigitalisierte Einsatz­zentrale für die Tierrettung ist der ­erste wichtige Schritt bei der Umsetzung unserer Vision zur Schaffung einer schweizweit zentralen Anlaufstelle für Tiernotfälle», erklärt Nina Taddei. Konkret sollen künftig alle Tiernotrufe – unabhängig davon, ob diese von hilfesuchenden Privatpersonen, Ämtern, Behörden oder den Schweizer Blaulicht­organisationen abgesetzt werden – in einer landesweit verantwortlichen Einsatzzentrale entgegengenommen werden. Diese soll dann die entsprechenden Rettungsmassnahmen ableiten und die benötigten Einsatzkräfte und Einsatzmittel in Marsch setzen – was Zeit spart und eine hohe Versorgungsqualität garantiert.

Dazu vertraut die Stiftung Tier­RettungsDienst auf bereits bewährte Konzepte und Technologien aus dem Blaulichtbereich, wie Nina Taddei ­betont. «Die Software der neuen Einsatzzentrale hat sich in der Human­rettung bereits bewährt und wird entsprechend auch schon von Polizeikorps in der Schweiz verwendet.»
Wie bei der Polizei unterstützen in der neuen, digitalen Einsatzzentrale sinnstiftend automatisierte Prozesse die Disponent*innen und Rettungsfahrer*innen bei der ­Arbeit, wodurch das Tempo steigt, ohne dass die gewohnt hohe Qualität der Leistungen in Mitleidenschaft gezogen wird. «Unsere Einsatzzahlen steigen stetig – von 2020 auf 2021 um rund 17 Prozent von 4’746 auf 5’586 Fälle», erläutert Nina Taddei. «Die neue, digitalisierte Einsatzzentrale senkt die Reaktionszeiten – und wie bei allen Rettungs- und Einsatzkräften wirkt sich mehr Tempo unmittelbar positiv auf die Betroffenen aus. Stress, Schmerz und Leid der Tiere werden vermindert und die Überlebenschancen verletzter Tiere steigen.»

Genau dieselben Effekte ergäben sich, betont Nina Taddei, aus der mittel- bis langfristig angestrebten Zentralisierung, also der Schaffung einer landesweit tätigen ­Einsatzzentrale. «Laufen alle Notrufe an einem einzigen Ort zusammen, steigt der Grad der Professionalisierung und damit die Qualität. Genau daher gehört zu unserer Strategie auch, dass die Stiftung TierRettungsDienst überregional weiterwächst – bis zur gesamtschweizerischen Tierrettungsorganisation.»

©zVgSeit diesem Jahr bietet die Stiftung den ­Bildungsgang «fachspezifische berufsunab­hängige Ausbildung (FBA) TierTransport» an.Seit diesem Jahr bietet die Stiftung den ­Bildungsgang «fachspezifische berufsunab­hängige Ausbildung (FBA) TierTransport» an.Mehr Aus- und Weiterbildung

Ein weiterer wichtiger Wert der Vision der Stiftung Tier­RettungsDienst sind die Weitergabe von Erfahrungen und die Vermittlung von Fachwissen rund um die vielseitige Tätig­keit der Stiftung. «Tierschutz beginnt für uns mit der ­Ausbildung», sagt Nina Taddei. Daher bietet die Stiftung, die vom Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) als Ausbildungsstätte anerkannt ist, seit diesem Jahr den umfassenden Bildungsgang «fachspezifische ­berufsunabhängige Ausbildung (FBA) TierTransport» an. «Der modular konzipierte, fünf Kurstage umfassende ­Bildungsgang vermittelt theoretisches und praxisbezogenes Wissen für den fachkundigen Umgang im Einsatz sowie beim Transport von Heim- und Wildtiere», sagt Nina Taddei.

Ergänzend befinden sich weitere Ausbildungsstufen in der Erarbeitung: «Wir wollen die Hilfe am Tier professionalisieren – mithilfe eines mehrstufigen Ausbildungsprogramms. Daher entwickeln wir derzeit den auf dem Bildungsgang aufbauenden Kurs <tiertransport­sanitäter*in>. Dieser vermittelt zentrales Wissen der Tierrettung, namentlich , sowie arten­spezifisches Fachwissen über Heimtiere und einheimische Wildtiere – und vertieft damit die Fachkenntnisse der Teilnehmenden.» Als dritte Stufe ist der Bildungsgang «Tierrettungssanitäter*in» angedacht. «Mit diesem für die Schweiz völlig neuen Berufsbild werden wir alsbald – analog zur Humanmedizin – über spezifisch ausgebildetes veterinär­medizinisches Fachpersonal verfügen, das gezielt für Tiernotfälle ausgebildet ist und die Qualität der Tierrettung auf ein deutlich höheres Niveau hieven wird», sagt Nina Taddei. «Denn auch Tiere in Not haben eine professionelle Rettung verdient – und wir sind dabei der professionelle Partner. Insbesondere auch für alle mit Tiernotfällen ­konfrontierten Einsatzkräfte der Blaulichtorganisationen unseres Landes.»

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