© RegaProjektleiter und Drohnenpilot in Personalunion: Mattia Corti von der Rega.Projektleiter und Drohnenpilot in Personalunion: Mattia Corti von der Rega.Vor rund vier Jahren startete die Schweizerische Rettungs­­flugwacht Rega gemeinsam mit der ETH Zürich und anderen Partner*innen ihr Drohnenprojekt. Zwischenzeitlich ist das Hightech-Suchgerät mit integrierter künstlicher Intelligenz (KI) weit gediehen.

Das 2017 lancierte Drohnenprojekt der Rega hat seit Frühling 2019, als die Rega die Drohne erstmals öffentlich präsentierte, Fortschritte gemacht – trotz zwei Jahren Pandemie. «Die Betriebsbewilligung für den Einsatz als staatliches Luftfahrzeug – insbesondere für behördlich angeordnete Sucheinsätze oder für Einsätze, die der Brandbekämpfung dienen – ist zwischenzeitlich ebenso vorhanden wie ein praxistaugliches Betriebskonzept», erklärt Rega-Mediensprecher Adrian Schindler. Das heisst: Auch wenn die Drohne nach wie vor ein Entwicklungs­träger ist, wird sie ab diesem Jahr für weitere Übungen und eventuell auch erste Einsätze abheben.

Konzipiert für die grossflächige Personensuche

Konzipiert ist die Rega-Drohne explizit für die grossflächige Personensuche, insbesondere in unwegsamem Gelände und bei Witterungs- und Sichtbedingungen, die den Einsatz des Rettungshelikopters verunmöglichen. Dazu hat der Mini-Helikopter jede Menge Hightech an Bord. Allem voran je eine Tageslicht- und Infrarotkamera. Die aufgenommenen Bilder werden von einer KI-Lösung an Bord der Drohne in Echtzeit ausgewertet (siehe Box). «Die Software hat in umfassenden Trainings gelernt, wie menschliche Körper im Gelände aussehen können – und übermittelt nur jene Bilder an die Bodenstation, auf denen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Person zu erkennen ist. Damit reduzieren wir einerseits die Datenströme und entlasten andererseits den Operator, da dieser nur die relevanten Bilder sichten muss», erklärt Projektleiter Mattia Corti. Dadurch werde es möglich, Suchgebiete von vier mal vier Kilometer Kantenlänge (16 Quadratkilometer) innert maximal zwei Stunden abzusuchen – effizient und sicher.

Ergänzt wird die Suchsensorik der Drohne durch den «Lifeseeker», ein Mobilfunkortungsgerät, welches (im Auftrag der den Suchauftrag gebenden Behörde, meist der Polizei) eine künstliche Funkzelle aufbaut und das Mobiltelefon der gesuchten Person animiert, sich in diese einzuwählen. So kann die Position des Mobiltelefons auf einige Meter genau bestimmt werden.

Präzise Steuerung via Rega-Basis Wilderswil

© RegaDie mit KI ausgestattete Drohne der Rega ist ein Hightech-Suchgerät, das weltweit seinesgleichen sucht.Die mit KI ausgestattete Drohne der Rega ist ein Hightech-Suchgerät, das weltweit seinesgleichen sucht.Im Lauf der Entwicklung wurde aber nicht nur die Technik, sondern auch das Betriebskonzept der Drohne iterativ optimiert. Gemäss diesem stehen zwei Fachspezialisten im Einsatz: ein mobiler Drohnenpilot und ein Operator in der Rega-Basis Wilderswil BE. Während der Pilot die Drohne zum Einsatzort transportiert, koordiniert der Operator in Abstimmung mit der Einsatzleitzentrale der Rega und mit der den Suchauftrag erteilenden Behörde den Einsatz. Er definiert den Startpunkt, programmiert den Flugplan (Suchgebiet, Suchraster und Flugbahnen, Flughöhe über Grund etc.) und entscheidet, welche Sensoren benötigt werden. Vor Ort bestückt der Pilot die Drohne, startet sie und bringt sie auf eine Flughöhe von etwa 60 Metern über Grund. Danach beginnt die Drohne ihren automatischen Suchflug – unter Aufsicht des Operators in Wilderswil, der auch die übermittelten Bilddaten auswertet. Beide Fachspezialisten sind jederzeit sowohl miteinander als auch mit der Rega-Einsatzleitzentrale verbunden – und sehen den Flug simultan auf ihren jeweiligen Bildschirmen.

Im Flug wird die Drohne über Mobilfunk kontrolliert oder eine direkte Funkverbindung zum Einsatzfahrzeug, wobei stets das qualitativ bessere Signal verwendet wird. Alle
15 Sekunden erfolgt ein Datenaustausch zwischen Drohne und Bodenstation. Klappt dieser länger als 30 Sekunden nicht, kehrt die Drohne über eine definierte Fluchtroute zum Startpunkt zurück, wo der Pilot sie manuell landet. Zudem werden stets mehrere Notlandeplätze programmiert. Denn Sicherheit hat bei der Rega oberste Priorität – auch wenn gar niemand im Fluggerät sitzt.

Nicht zuletzt deswegen verfügt die Drohne auch über ein Antikollisionssystem (FLARM) und kann diverse Transpondersignale (ADS-B und Mode S) empfangen. Ebenfalls an Bord sind mehrere hochpräzise, redundante GNSS-Empfänger für die Satellitennavigation. Dank diesen, sowie gestützt auf Echtzeit-Informationen aus dem Rega-Einsatzkartensystem, fliegt die Drohne ihre definierte Flugroute ab, wobei sie der Geländetopografie in etwa 80 bis 120 Metern über Grund folgt. «Damit bleibt sie immer deutlich unterhalb der Mindestflughöhe für bemannte Luftfahrzeuge von 500 Fuss (ca. 150 Meter)», betont Adrian Schindler.

© RegaDie Drohne reist einsatzbereit im Transporter des mobilen Piloten. Eine separate Stromquelle im Bus gewährleistet eine Stunde Betriebszeit. Erst dann muss ein Standgenerator eingeschaltet werden.Die Drohne reist einsatzbereit im Transporter des mobilen Piloten. Eine separate Stromquelle im Bus gewährleistet eine Stunde Betriebszeit. Erst dann muss ein Standgenerator eingeschaltet werden.Ein ziemlich grosser Mini-Helikopter

Auf den ersten Blick erstaunlich wirkt das Aussehen der Rega-Drohne. Darauf angesprochen erklärt Adrian ­Schindler: «Als wir die Eckdaten definiert hatten, suchten wir ein geeignetes Drohnenmodell. Doch der Markt gab nichts Passendes her. Also entwickelten wir eine eigene Drohne – so weit möglich mit standardisierten Komponenten.» Heraus kam, über mehrere Evolutionsstufen hinweg, ein 2,20 Meter langer, 75 Zentimeter hoher, rund 25 Kilogramm schwerer Mini-Hubschrauber mit einem Dreiblatt-Rotor von 2,80 Meter Durchmesser. Wurde dieser anfangs noch von einem Zweitakt-Kolbenmotor befeuert, treibt heute eine laufruhigere 7-kW-Zwei-Wellen-Turbine die Drohne an. «Die Drohne fliegt bis zu 120 km/h schnell und kann bis auf eine Flughöhe von 3˚000 Metern über Meer eingesetzt werden», sagt Mattia Cotti. Einzig der Kerosinverbrauch des Triebwerks bereitet ihm noch Kopfzerbrechen: «Aktuell kann die Drohne rund eine Stunde in der Luft bleiben. Wir peilen aber eine Mindesteinsatzzeit von zwei Stunden, im Optimum von drei Stunden an.» Daher testet die Rega auch eine Drohne mit Kolbenmotor und evaluiert, wie die Flugzeit mit Turbine maxi­miert werden kann. Kein einfacher Spagat – denn Grösse, Gewicht und Leistungsanforderungen sind ja gegeben.

Gespickt mit Schweizer Technologie

© RegaDer Operator, der den Einsatz koordiniert, leitet und die von der Drohne übermittelten Bilder auswertet, sitzt stationär in der Rega-Basis Wilderswil BE.Der Operator, der den Einsatz koordiniert, leitet und die von der Drohne übermittelten Bilder auswertet, sitzt stationär in der Rega-Basis Wilderswil BE.Unter dem roten Kleid der Drohne steckt übrigens sehr viel Schweizer Know-how. So stammt das massgeschneiderte Flugkontrollsystem (Flightcontrol) ebenso von einem Schweizer Zulieferer wie die auf einem separaten Rechner laufenden Systeme für die Flugsicherheit (Detect and avoid) und Flugstreckenplanung (sog. «Flight Director Unit»). Der KI-Algorithmus, der auf einem Rechner an Bord der Drohne läuft (AI-at-the-edge) und als «Human Detection Pipeline» vermisste Personen im Gelände automatisch erkennen kann, wurde von der ETH Zürich entwickelt. Er wird nun zusammen mit dem Ground Control System der Firma Supercomputing Systems AG für den robusten Einsatz im Feld industrialisiert.

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